Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Leyenhaft Formuliertes zum Syrien-Einsatz, Russlands Luftangriffe als Kundenpflege und die „Spiegel“-Nische NRW.

Menschen machen Musik vor einem Grafitti, das einen Mann mit Maulkorb zeigt

Syrische Musiker müssen ihr Geld in Istanbul verdienen. Wer legt Assad mal einen Maulkorb an? Foto: ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Laut infratest dimap verortet eine Mehrheit der Befragten die Merkel-CDU als „linke“ Partei.

Und was wird besser in dieser?Die SPD findet die Merkel-CDU auch ganz schön link.

Der Bundestag hat den Syrien-Einsatz beschlossen. Wann schießt der IS zurück?

„Wenn du meinen Freund schlagen willst, musst du mich schlagen“: Das ist der beste und zugleich schlimmste Teil der Veranstaltung. Allein der denkbare Vorwurf, Deutschland erhoffe sich von einer Nichtbeteiligung Gnade vor dem Terror, begründet die Beteiligung. Biblisch: Europa hält auch die andere Wange hin. Dahinter wird’s dunkel. Schon ruft der Bundeswehrverband nach mehr Söldnern, Rüstungspolitiker nach mehr Waffen und Hinterbänkler nach Bodentruppen. Dummerweise sind alle möglichen Folgen auch katastrophal: Kommt es zu einem Anschlag in Deutschland, wird die Kriegspolitik weiter eskalieren. Kommt es nicht dazu, wird die Kriegspolitik als erfolgreich heilig gesprochen. Plus Bonustrack Verschwörungstheorie: Wer in Deutschland in den Krieg ziehen will, muss es hier krachen lassen. All dies sind höchste Risiken. Wo ist die Chance? Jeder Konflikt braucht am Ende einen Anwalt, der dann als schmierig, unmoralisch, gewissenlos, geldgeil geziehen wird. Wenn das nicht tapfer ist, diesen Job zu nehmen und die Parteien an den Tisch zu holen. Steinmeiers Top-Position in den Beliebtheits-Charts vor Schäuble und Merkel deutet an, wie die Deutschen wirklich ticken.

Was wir nicht verstanden haben: Sind wir jetzt eigentlich mit Assad verbündet oder nicht?

Leyenhaft formuliert : Wir sind mit den Anti-Assad-Rebellen verbündet, denen sich Assad gern anschließen möge. Na ja, eigentlich springen wir in einen heillos komplizierten Konflikt, den wir dadurch zu beenden trachten, dass wir den ausgebluteten Parteien einen schicken gemeinsamen Gegner vorschlagen. Noch genauer: Es würde uns besänftigen, wenn Assad und seine Gegner sich nicht mehr gegenseitig massakrierten, sondern sich gemeinsam vom IS massakrieren ließen. „Syrer! Wenn ihr eh gerade sterbt, könnt ihr nicht gefälligst gegen irgendeinen Feind sterben, der uns gerade auf die Nerven geht?!“ Um es einfacher zu erklären: Aus Sicht der Wiener Syrienkonferenz erleidet die deutsche Außenpolitik gerade eine maximale Niederlage gegen die deutsche Außenpolitik.

Putin, Erdoğan und das abgeschossene Flugzeug: Wird das noch mal heil?

Das ist ja auch eine weitere Frechheit von Putin, sich ein Flugzeug abschießen zu lassen. Derzeit teufeln beide Seiten um die Wette, wer denn als Erster empört aus dem Projekt TurkStream-Gaspipeline ausgestiegen sei. Eine gute Nachricht für Erdöl-Scheichtümer und Freunde amerikanischen Fracking-Zeugs. Russland ist der größte Energielieferant der Türkei, Erdoğan hasst auf ein mögliches Kurdengebiet ein und hat panturkmenischen Ehrgeiz auch gegenüber russischem Hegemonialgebiet. Aus Putins Sicht sind seine Luftangriffe auf Ölschmuggel des IS also aktive Kundenpflege. Aus grüner Sicht ein Segen, Erdoğan spricht neuerdings vom „Ausbau erneuerbarer Energien in der Türkei“.

Deutsche Sportfunktionäre sind sauer auf die Bürger von Hamburg. Wäre es nicht an der Zeit, das olympiaresistente Volk von der Küste bis zu den Alpen aufzulösen und ein neues zu wählen?

Da ARD und ZDF die Olympia-Rechte verloren haben, stellt sich die traditionsreiche Heimat des NDR hinter die Öffentlich-Rechtlichen. Respekt!

Woody Allen ist 80 geworden. Was würden Sie von ihm unbedingt noch wissen wollen?

Ohne Woody Allen wäre New York nur ein dicker Blödmann mit Verdauungsproblemen. Bezahlen die dem das eigentlich?

Jetzt baut auch noch der Spiegel Personal ab! Geht Journalismus eigentlich nur noch prekär?

Bin gespannt auf den ebenfalls angekündigten Spiegel – Regionalteil NRW. Hier macht die „Funke-Gruppe formerly known as WAZ seit Jahren vor, wie Journalismus ganz ohne Journalisten geht. Auch die taz hat das Hirnunterdruckgebiet NRW mal hochwertig bedient und bekam zum Dank keinen Dank und kein Geld dafür. Wenn der Spiegel als Noch-Print-Haus so eine Nische meistert, entstehen neue Jobs. (Verhaltener Jubel vom Hochbegabten-Flur des Arbeitsamtes Essen.)

Facebook-Chef Mark Zuckerberg will einen Großteil seines Vermögens noch zu Lebzeiten spenden. Ist das gut oder einfach seine Variante des Bestsellers „1.000 ganz legale Steuertricks“?

Es hat was von „Spendenquittung sofort – Spende kommt später“, ja. Auf der moralischen Ebene: Kann Facebook und sein datengieriges Erlösmodell böse sein, wenn der Chef solche Berge zuckert ? Oder alteuropäisch: Was ist die USA für ein Gemeinwesen, in dem Milliardäre betteln, gerechter besteuert zu werden?

Und was machen die Borussen?

Schicken dankbar Kohlezüge nach Mönchengladbach. Ja, wir sind da etwas unbeholfen und haben in Wirklichkeit auch gar keine Kohle mehr, Kohle übrigens auch nicht, aber nehmt den guten Willen.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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