Ökonom über EZB-Geldpolitik: „Die Spekulationsblase ist schon da“
Helge Peukert fordert von der Europäischen Zentralbank Investitionen in nachhaltige oder soziale Projekte – und nicht in die Finanzindustrie.
taz: Mario Draghi flutet die Finanzmärkte mit noch mehr EZB-Milliarden. Ist seine Strategie des kostenlosen Geldes nicht längst verpufft?
Peukert: Ja. Im Grunde wissen das ja auch die meisten. Und höchstwahrscheinlich sogar die Notenbanker selbst. Warum wird es dann gemacht? Weniger, wie offiziell behauptet, um die Inflation maßvoll anzutreiben, sondern um den Außenwert des Euro zu schwächen. Um so die Exporte der Industrie anzukurbeln. Dieses Ziel wird auch erreicht. Zweitens, um die Zinsen für Staatsanleihen runterzudrücken. Unterm Strich sehe ich die EZB-Politik negativ.
Warum?
Das billige Geld treibt die Aktienkurse nach oben.
Droht da nicht eine Spekulationsblase?
Natürlich. Sie droht nicht, sie ist eigentlich schon da, wenn ich mir beispielsweise die Entwicklung des DAX anschaue. Darum sind die oberen Schichten auch für die EZB-Politik: Geldanlagen und Vermögenswerte werden immer weiter aufgeblasen. Die Reichen werden reicher.
Durch das „Quantitative Easing“ der EZB fließen über eine Billion Euro auf die Finanzmärkte. Wären nicht reale Investitionen in saubere Industrien viel nachhaltiger?
Ja. Es müsste einen Paradigmenwechsel in Frankfurt geben. Die Initiative „Quantitative Easing for People“ fordert, dass die Abermilliarden nicht in den Finanzsektor fließen. Sondern Menschen helfen und eine nachhaltige Entwicklung direkt finanzieren, ökologische Projekte fördern, Arbeit schaffen. Von England aus läuft weltweit jetzt eine Unterschriftenkampagne auf qe4people.eu an.
Wie kommen EZB und amerikanische Fed aus der Niedrigzinsfalle heraus, ohne dass die Wirtschaft zusammenbricht? Die hat sich an das billige Geld gewöhnt.
Wir brauchen einen Schuldenschnitt. Die EZB könnte alle Staatsschulden über 60 Prozent aufkaufen und die Abzahlung auf hundert Jahre strecken – und dadurch neutralisieren. Um einen Bezug zur Klimakonferenz herzustellen: Die EZB kauft beispielsweise die Schulden Griechenlands auf und macht dann „Debt for Nature“ – dafür befreien die Griechen das Mittelmeer vom Plastikmüll.
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Helge Peukert ist auch so ein Gesell-orientierter Kritiker des "Geldsystems".
Sinkende Profite gibt es in Produktionsbereichen aber nicht wegen dem Geldsystem. Selbstverständlich würde die EZB nicht investieren. Das ist nicht ihre Aufgabe.
MrBlue22
die permanente Reproduktion der althergebrachten Vorstellungen von Wirtschaft und Wirtschaften führt in sich logisch zum "mehr des Gleichen hilft mehr", siehe Watzlawik in Bezug auf Handeln des Einzelnen.
zu viel Geld ist in den Händen der Dummen angekommen, die gar nicht mehr wissen wohin damit, und sich dann eben Gemälde für 100 mio kaufen oder Jachten oder Fußballclowns. "Geld" ist genug da (siehe D.Adams, Blättertheorie, Per Anhalter ...).
Was ich als Staat bewirtschafte und wo ich damit Prioritäten setze ist völlig willkürlich. Ob "die Geldgeber" den Banker/ Fußballer mit 1mio bewerten oder mit 15.000 im Jahr unterliegt keinerlei sachlicher Entscheidung. Wenn wir "Mittelmeerputzen" für wichtiger halten würden als möglichst schnell 100 m zu laufen, würde es auch "Lohn" dafür geben. Ist aber nicht so : ) ! Dem Markt und seinen schlauen "Akteuren" sei Dank.
stph
Coole Idee: Griechenland werden die Schulden erlassen und es reinigt dafür das Mittelmeer vom Plastikmüll - das schafft dann auch noch Arbeitsplätze!
Michael Ep
"Die Spekulationsblase" ist da mindestens seit den "goldenen" 1920ern.
sart
Die Aufgabe der Zentralbanken ist die Geldpolitik und dabei sollte es auch bleiben. Schlimm genug, wenn sie eher Fiskal- und Wirtschaftspolitik betreiben, das dann aber durch Umweltpolitik zu ersetzen, ist genauso grundsätzlich falsch.
Barnados
@sart Ist nicht Umweltpolitik auch von der Finanzpolitik abhängig? Die Geldpolitik beeinflusst viele Bereiche und ich sehe es nicht bedenklich, da einen anderen Anreiz zu setzen.