piwik no script img

„Privatisierung – das geht gar nicht“

Karneval der Kulturen Mit den gekürzten Mitteln ist das jährliche Großevent nicht mehr umzusetzen, kritisiert die Organisatorin Nadja Mau

Nadja Mau

46, ist dem Karneval der Kulturen schon lange verbunden: Sie organisierte ihn von 2004 bis 2012 und seit 2015 wieder.

taz: Frau Mau, die Mittel des Landes für den Karneval der Kulturen werden ab 2017 um rund zwei Drittel gekürzt. Für die Großveranstaltung rund um Pfingsten sind im Haushalt dann nur noch 270.000 Euro vorgesehen. Die Finanzierungslücke soll durch Sponsorengelder geschlossen werden. Ist das machbar?

Nadja Mau: Aus unseren Erfahrungen der vergangenen Jahre wissen wir, dass die Deckungslücke von 560.000 Euro nicht hundertprozentig durch Drittmittel gedeckt werden kann. Mit einem Budget von 270.000 Euro lässt sich der Karneval der Kulturen definitiv nicht stemmen.

Welche Folgen hätte eine Finanzierung durch Sponsoren für den Charakter der Veranstaltung, die jedes Jahr etwa eine Million Besucher hat?

In den vergangenen Jahren wurde ja immer wieder die Debatte um eine zunehmende Kommerzialisierung des Karnevals geführt. Nun müssen sich auch die Besucher langsam entscheiden, was sie wollen. Es besteht die Möglichkeit, die Veranstaltung öffentlich zu fördern. Nur dann gibt es die Chance, zu den konzeptionellen Wurzeln des Karnevals zurückzukehren. Die Rückkehr zu den inhaltlichen Ursprüngen des Karnevals ist aber unvereinbar mit einer Finanzierung durch Drittmittel. Dabei würde man das Ganze wie eine Sportveranstaltung aufziehen, bei der die Karnevalisten in bedruckten Werbe-T-Shirts auf die Straße gehen.

Wie ist derzeit die Stimmung unter den Karnevalsgruppen?

Unter den Karnevalsgruppen herrscht teilweise eine starke Verunsicherung. In der Sitzung des Hauptausschusses am Mittwochnachmittag hatten viele auf ein Signal in Bezug auf die künftige Finanzierung des Karnevals gehofft. Leider wurde daraus nichts. Langsam müssen wir nun mit unserer Organisation beginnen. Der enorme Zeitdruck, dem wir schon bei der Planung für 2015 ausgesetzt waren, kommt der Veranstaltung nicht zugute und macht eine nachhaltige Arbeit unmöglich. Wir wünschen uns, dass der Wert der Veranstaltung endlich geschätzt wird und hoffen auf eine langfristige Sicherung des Karnevals.

Gibt es bereits einen Hauptsponsor für den Karneval der Kulturen 2017?

Mit der Planung für den Karneval der Kulturen 2017 haben wir noch nicht begonnen. Aber wir sind offen für alle Vorschläge.

Wie soll es denn jetzt weiter gehen?

"Wir wünschen uns, dass der Wert der Veranstaltung endlich geschätzt wird"

Alle weiteren Schritte werden wir mit unserem Beirat abstimmen – eine unsere größten Errungenschaften des geführten Konzeptdialogs. Außerdem warten wir noch auf den abschließenden Entwurf des Haushaltsbeschlusses am 10. Dezember.

Was wünschen Sie sich?

Der Karneval ist wichtig für ­Berlin und das Zusammenleben der unterschiedlichsten Menschen. Er muss vom Land unterstützt werden. Die Veranstaltung ist ein Filetstück. Neoliberale Privatisierung geht da einfach nicht.

INTERVIEW Mareike-Vic Schreiber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen