: Beschränkt solidarisch
Außenpolitik Die Regierung sichert den Franzosen Unterstützung zu, schickt aber die Bundeswehr wohl nicht in den Anti-IS-Krieg
Aus Berlin Tobias Schulze
Der Bundeskanzler reagierte nach zwei Stunden. Am Nachmittag des 11. September 2001 verfasste er einen Brief ans Weiße Haus. „Ich möchte ihnen meine uneingeschränkte Solidarität aussprechen“, schrieb Gerhard Schröder an US-Präsident George W. Bush. Zwei Monate später schickte er 4.000 Soldaten der Bundeswehr nach Afghanistan.
Die Bundeskanzlerin reagierte nach zwölf Stunden. Am Samstagvormittag rief Angela Merkel im Élysée-Palast an. Im Kampf gegen den Terror werde Deutschland den Franzosen „jede gewünschte Unterstützung“ zukommen lassen, versicherte sie Frankreichs Präsident François Hollande. Müssen sich die Soldaten der Bundeswehr jetzt auf ihren nächsten Großeinsatz einstellen?
Am Montag nach den Terroranschlägen von Paris beschwichtigt die Bundesregierung. „Es ist zunächst an Frankreich vorzuschlagen, wie es jetzt weitergehen kann. Wir werden sehr aufmerksam zuhören. Dann werden wir darauf gemeinsam reagieren“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Im Klartext: Die Bundesregierung verschließt sich nicht von vornherein, falls Frankreich über die Nato oder über die UNO um stärkere Unterstützung im Kampf gegen den IS bittet. Auf einen entscheidenden Beitrag der Deutschen sollten sich die Franzosen aber lieber nicht verlassen.
Zumal auch die übrigen Wortmeldungen der Regierung am Montag nicht gerade vor Kriegsbegeisterung strotzten. Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte, es sei unnötig, über einen Bundeswehreinsatz zu spekulieren („erwarten unsere französischen Freunde nicht von uns“). Merkel ließ die Frage nach deutschen Militäroperationen offen, verwies aber auf die laufende Ausbildungsmission im Nord-Irak („haben damit eine ganze Menge zu tun“).
Lediglich einzelne Abgeordnete der Union forderten, die Bundeswehr stärker am Krieg gegen den IS zu beteiligen – aber auch sie blieben vorsichtig. So sagte der Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter, die Regierung solle „neben humanitärem und diplomatischem Engagement auch spezielle Fähigkeiten der Bundeswehr“ zur Verfügung stellen. Für eine direkte Beteiligung an den Kämpfen plädierte aber auch er nicht. Stattdessen schlug er vor, die Luftangriffe auf Gebiete des IS durch Aufklärungs-Tornados zu unterstützen.
Weitergehende Optionen hat die Bundesregierung genaugenommen auch kaum. Bodentruppen scheiden ohnehin so gut wie aus; nicht einmal Frankreich dürfte jetzt auf die Idee kommen, in Syrien und dem Irak mit eigenen Leuten zu kämpfen. Ein Einmarsch ins Gebiet des IS würde diesem schließlich in die Hände spielen: Er behauptet ohnehin, der Westen führe einen Krieg gegen den Islam. Westliche Invasoren könnte er für seine Propaganda also bestens gebrauchen.
Entsprechend äußerte sich am Montag ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin: „Es muss Kämpfe von Bodentruppen geben. Ich kenne aber keine Pläne, die europäische Bodentruppen vorsehen.“
Sprecher des Auswärtigen Amtes
Theoretisch könnte sich die Bundeswehr auch aktiv an den Luftangriffen gegen den IS beteiligen. Die USA und andere Staaten haben in der Region aber bereits genügend eigene Flugzeuge im Einsatz und benötigen für ihre Luftschläge im Prinzip keine deutsche Hilfe. Dazu kommt, dass so eine Mission am politischen Widerstand in der Bundesrepublik scheitern könnte. Zudem ist offen, ob die schlecht ausgestattete Bundeswehr den Einsatz überhaupt stemmen könnte. „Die Frage stellt sich im Moment nicht“, so eine Regierungssprecherin.
Bleibt als letzte Möglichkeit, dass aktuelle Engagement der Bundeswehr im Norden des Irak auszuweiten. Dort bilden die Deutschen Kämpfer der kurdischen Peschmerga-Einheiten aus – zuletzt mit Erfolg. Erst in der vergangenen Woche endete ein fünfwöchiger Crash-Kurs für kurdische Kämpfer. Zwei Tage später eroberten die Peschmerga gemeinsam mit Jesiden und syrischen Kurden die strategisch wichtige Stadt Sindschar zurück. Aus dem Verteidigungsministerium hieß es am Montag jedoch, es gebe derzeit keine Anfrage, den Ausbildungseinsatz auszuweiten.
Eines betonen dafür Vertreter aller Ministerien unisono: Rein militärisch lasse sich der Kampf gegen den IS ohnehin nicht gewinnen. Stattdessen müsse in Syrien eine politische Lösung gefunden werden. Auf einen Fahrplan für Waffenstillstände und Neuwahlen einigten sich die Vertreter von 18 Staaten am Samstag. Auf den Erfolg dieses Plans will sich in den kommenden Wochen auch die deutsche Diplomatie konzentrieren.
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