Protestieren à la française

PARIS Vor dem Klimagipfel warten Umweltorganisationen gespannt auf die nächste Regierungsentscheidung in Sachen Demonstrationsfreiheit. Sie haben viel zu verlieren

Muss nicht die geilste Demoroute sein: Fluchtweg aus dem Fußballstadion Foto: Christophe Ena/ap

Von Martin Kaul und Rudolf Balmer
undMartin Kaul und Rudolf Balmer

BERLIN/PARIS taz | Das ist nicht unbedingt selbstverständlich: dass ein Außenminister mit vielen kampferprobten AktivistInnen darüber nachdenkt, wie denn am Ende eine schöne Demonstration aussehen könnte. Laurent Fabius, Außenminister Frankreichs und Vorsitzender des UN-Klimagipfels, hat sich die Zeit dafür genommen. Da saßen nun also die Klimaretter der Straße und ihr institutionelles Feindbild in einem Raum in Paris und berieten darüber, wie es laufen könnte, wenn am letzten Novemberwochenende Zehntausende, vielleicht gar Hunderttausende Menschen auf die Straßen drängen, um bei dem geplanten Klimagipfel für die Rettung der Welt zu demonstrieren.

Frankreichs Regierung ist in der Bredouille: Einerseits will sie nach den Terrorangriffen nicht das Zeichen setzen, dass nun auch noch Demonstrationen verboten werden. Andererseits steht sie massiv unter Druck, keine weitere Risiken einzugehen. Zudem arbeiten die Sicherheitsbehörden ohnehin am Limit. Frankreichs Regierung drängt daher darauf, dass alle Protestveranstaltungen rund um den Klimagipfel in klar abgegrenzten Räumen stattfinden. So soll die Regierung vorgeschlagen haben, eine symbolische, abgegrenzte Demonstration mit einigen Tausend TeilnehmerInnen zu organisieren, die in einer Art polizeilichem Spalier laufen könnten. Als Alternative dazu war im Gespräch, die Demonstration am letzten Novemberwochenende, zu der ursprünglich bis zu 300.000 Menschen erwartet worden waren, in ein Fußballstadion zu verlegen. Praktisch ist das, zumal nach den Erfahrungen von Hannover, alles nicht. Allein die Frage, wer die VorzeigedemonstrantInnen aussuchen soll, sorgt bei den AktivistInnen für Gelächter.

Doch innerhalb der klimapolitischen Bewegung gibt es auch Uneinigkeiten. Allein unter dem Dach der „Coalition Climat 21“, die gemeinsam zu den Protesten aufgerufen hat, sind rund 130 Gruppen und Organisationen vertreten, die sehr unterschiedliche Interessen vertreten. So sind etwa die großen Gewerkschaften eher bereit, alle Regierungsvorgaben zu erfüllen. Auch innerhalb solcher Vereinigungen, die zu zivilem Ungehorsam aufrufen, gibt es Streit, inwiefern dies vor dem Hintergrund der Terrorangriffe möglich ist. Konflikte gibt es auch um die Frage, welche Demons­trationen wie eingeschränkt werden: So rufen zu Beginn des Klimagipfels am 29. November vor allem große, gemäßigte Organisationen auf, die möglichst viele Menschen mobilisieren wollen. Zu den Abschlussdemonstrationen am 12. Dezember rufen dagegen Vereinigungen auf, die verstärkt auf zivilen Ungehorsam setzen.

Die Regierung steht unter Druck, keine Risiken einzugehen

Eine Entscheidung der Regierung, die ein oder andere Veranstaltung zu bevorzugen, hätte also auch Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmbarkeit der unterschiedlichen Gruppen und Organisationen, die teils seit über einem Jahr mit oft hohem Ressourcenaufwand die Proteste vorbereiten. Es ist ganz sicher nicht deren erstes Problem, aber am Ende auch nicht unbedeutend: Wer in Paris nicht wahrgenommen wird, hat politisch und im Hinblick auf potenzielle Spendeneinnahmen etwas zu verlieren.

Entscheidend wird sein, was die französische Regierung entscheidet. Derzeit gilt in Frankreich der Notstand, der alle öffentliche Versammlungen unter Genehmigungsvorbehalt stellt. Er sollte am Mittwochabend verlängert werden. Für Donnerstag hat die Regierung eine Entscheidung im Hinblick auf die geplanten Klimaproteste angekündigt.