piwik no script img

Das flüchtige Geld

Steuerschätzung Staatseinnahmen fallen 2016 um 5 Milliarden Euro niedriger aus als erwartet. Das erschwert die Finanzierung der Flüchtlinge. Länder kommen gut weg

aus Berlin Hannes Koch

Die Finanzierung der Zuwanderung nach Deutschland wird im nächsten Jahr schwieriger, weil Bund, Länder und Kommunen mit geringeren Einnahmen rechnen müssen. Das geht aus der neuen Steuerschätzung hervor, die Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag veröffentlichte. Der Bundesfinanzminister betonte allerdings, dass „der deutsche Staat nach heutigem Stand auch 2016 ohne neue Schulden auskommen“ kann.

Experten von Bund, Ländern und Forschungsinstituten schätzen zweimal pro Jahr die künftigen Steuereinnahmen. Während ihrer Novembersitzung kamen sie nun zu dem Ergebnis, dass die Gesamteinnahmen im Vergleich zur letzten Schätzung im Mai zurückgehen. 2016 muss der Finanzminister mit 4,9 Milliarden Euro weniger auskommen als prognostiziert. Die Kommunen erhalten 1,9 Milliarden weniger. Die EU muss auf 1,7 Milliarden aus Deutschland verzichten. Die Bundesländer dagegen können um 3,4 Milliarden höhere Einnahmen erwarten. Unter dem Strich beträgt das Minus 5,2 Milliarden Euro.

Die Ursache dafür ist vor allem, dass die große Koalition den steuerlichen Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag sowie das Kindergeld erhöhen will. Etwa drei Milliarden Euro dieser Mindereinnahmen sind im Haushaltsentwurf 2016 bereits verbucht. Die zusätzliche Finanzlücke liegt also nur bei etwa zwei Milliarden Euro.

Dieser Fehlbetrag wird jedoch vermutlich dadurch steigen, dass Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld für die Finanzierung der Flüchtlinge ausgeben müssen. Der Deutsche Städtetag rechnet mit einer Finanzlücke bei Ländern und Kommunen von bis zu 5,5 Milliarden Euro, wenn 2016 durchschnittlich 1,2 Millionen Zuwanderer im Asylverfahren stecken. Falls der Bund diese Mittel aufbringen wolle, betrüge der zusätzliche Finanzbedarf inklusive der schlechteren Steuerschätzung etwa 7,5 Milliarden Euro.

Woher nehmen? Neue Schulden schließt die Union aus. „Auch nach der Steuerschätzung hält die Union an der schwarzen Null fest“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg. Der ausgeglichene Bundeshaushalt ist das große finanzpolitische Projekt von CDU und CSU. Wobei Schäuble schon einmal angedeutet hat, dass er daraus keine Ideologie machen will.

„Die Union hält an der schwarzen Null fest“

Eckhardt Rehberg, haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Steuererhöhungen kommen für die Union ebenfalls nicht infrage. Besteht also nur die Möglichkeit, die Lücke durch Einsparungen im Bundeshaushalt zu decken. Oft bleiben am Ende des Jahres ein paar Milliarden übrig, weil sie nicht verbraucht werden. Außerdem könnte es sein, dass die Zinsausgaben für die Bundesschuld niedriger ausfallen. Selbst bei den Grünen heißt es, eine Lücke von mehreren Milliarden Euro im Bundeshaushalt sei „beherrschbar“.

Zudem kann Schäuble darauf verweisen, dass die Länder 2016 viel besser dastehen als erwartet. Ihre prognostizierten Mehreinnahmen von 3,4 Milliarden Euro können sie mindestens zum Teil dafür verwenden, die Zuwanderung zu finanzieren. Ähnlich sieht es bei vielen Städten und Gemeinden aus. Gerade Kommunen in den prosperierenden Ländern Bayern und Baden-Württemberg sind oft im Plus und können höhere Ausgaben für Flüchtlinge selbst finanzieren. Da müsse der Bund gar nicht helfen, heißt es bei der Unionsfraktion im Bundestag. Dieses Argument gilt freilich nicht für überschuldete Städte, etwa in Nordrhein-Westfalen.

Nach dem Minus 2016 werden die Einnahmen laut Steuerschätzung zwischen 2017 und 2019 wieder steigen – von 671 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 770 Milliarden im Jahr 2019.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen