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Schwacher Ersatz für die Rente

HARTZ IV IM ALTER Die Zahl der Empfänger der sogenannten Grundsicherung steigt. Der Regelsatz liegt derzeit bei rund 400 Euro, außerdem werden die Wohnkosten übernommen. Doch wer hat Anspruch auf diese Sozialleistung, und wo ist der Antrag zu stellen?

von Hannes Koch

Jahr für Jahr steigt die Zahl derjenigen, die nach einem langen Berufsleben nur eine sehr niedrige Rente erhalten. So gering, dass sie die Grundsicherung im Alter beantragen. Das ist eine Sozialleistung etwa auf Hartz-IV-Niveau. Wer hat Anspruch auf diese Zahlung, wie viel Geld erhält man, wo ist der Antrag zu stellen?

Die rot-grüne Bundesregierung führte die Grundsicherung im Jahr 2003 ein. Damals erhielten diese Unterstützung rund 440.000 Personen. Mittlerweile, im ersten Quartal 2015, ist die Zahl der Empfänger auf gut eine Million gestiegen – eine gute Hälfte davon sind Menschen im Rentenalter, der andere Teil jüngere Personen, die wegen einer Erwerbsminderung nicht mehr arbeiten können.

Fachleute gehen davon aus, dass die Menge der Antragsteller weiter zunimmt – gerade auch der Alten. „Es werden in den nächsten Jahren beispielsweise viele hinzukommen, die nach der Wiedervereinigung lange arbeitslos waren und deshalb nur geringe Rentenansprüche ansammeln konnten“, sagt Margret Böwe vom Sozialverband VDK Deutschland. Ein weiterer Grund für die steigende Inanspruchnahme ist das sinkende Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung.

Außerdem wuchs während der vergangenen zehn Jahre der Niedriglohnsektor. „Die Hartz-Gesetze haben dazu beigetragen, dass Arbeitnehmer schlechter bezahlte Tätigkeiten annehmen müssen“, weiß Lara Heitmann, Anwältin für Sozialrecht in Berlin-Neukölln. Niedrige Einkommen führen wegen entsprechend geringer Beitragszahlungen in die Sozialversicherung später dazu, dass die selbst erarbeitete Rente nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu decken. Wessen Rentenanspruch unter dem offiziell berechneten Existenzminimum bleibt, kann die Grundsicherung beantragen.

Stellen muss man den Antrag entweder bei der Rentenversicherung oder bei der Stadt. Zuständig sind die Sozialämter der Kommunen. „Als Faustregel gilt, dass man den Anspruch auf Grundsicherung prüfen lassen sollte, wenn die eigenen Einnahmen im Rentenalter bei 750 bis 800 Euro liegen“, sagt Böwe. Der Regelsatz der Grundsicherung beläuft sich auf 399 Euro für eine alleinstehende Person mit eigenem Haushalt, 2016 steigt er auf 404 Euro. Außerdem trägt das Sozialamt die Kosten für die Wohnung und finanziert zusätzliche Ausgaben. Dazu können beispielsweise Aufwendungen für Lebensmittel bei bestimmten Krankheiten gehören.

Die eigenen Einnahmen werden allerdings mit der Grundsicherung verrechnet. Beispielsweise schmälert die selbst erarbeitete Rente den Anspruch auf die Sozialleistung. Das Amt überweist dann nur die Differenz. Dasselbe gilt für die Riesterrente und andere Formen der Altersvorsorge. So betrachtet können auch jahrzehntelange Einzahlungen in eine private Rentenversicherung umsonst sein und unter dem Strich nur die Grundsicherung auf dem Niveau des Existenzminimums übrigbleiben – für manche Rentner eine böse Überraschung.

Auf die Sozialleistung angerechnet werden auch Einnahmen aus Minijobs und anderen bezahlten Tätigkeiten. Die Freibeträge für kleine Arbeitslöhne sind in der Grundsicherung deutlich niedriger als bei Hartz IV, erklärt Anwältin Heitmann. Die Logik dahinter: Im Gegensatz zu Empfängern von Arbeitslosengeld II wolle der Staat die Rentner ja nicht mehr dazu animieren, eine Arbeit anzunehmen. So sind bei Hartz IV je nach Einkommenshöhe bis zu 330 Euro pro Monat frei, in der Grundsicherung jedoch maximal 199,50 Euro. Ein 450 Euro verdienender Mensch mit Minijob behält beim Jobcenter 170 Euro, beim Sozialamt nur 135 Euro.

Die Wohnungskosten der Antragsteller übernimmt das Sozialamt bis zu einer bestimmten Höhe. Die Wohnung darf aber nicht zu groß und zu teuer, sondern muss angemessen sein. Was das heißt, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Es hängt unter anderem vom Niveau der Mieten in der jeweiligen Stadt ab.

80 Quadratmeter Wohn­eigentum für zwei Personen

Wohnen die Antragsteller in einem eigenen Einfamilienhaus oder besitzen eine selbst genutzte Eigentumswohnung, so müssen sich auch diese am Kriterium der Angemessenheit orientieren. Ist die Immobilie größer, muss man sie verkaufen, bevor man Grundsicherung erhält. Als Faustformel für die Angemessenheit einer Eigentumswohnung gelten etwa 80 Quadratmeter Wohnfläche für zwei Personen, so Böwe. Bei einem Eigenheim mit Grundstück orientiert man sich am öffentlich geförderten Wohnungsbau. 250 Quadratmeter Land für ein Reihenhaus und 500 Quadratmeter für ein freistehendes Haus können als Anhaltspunkt dienen.

Die Empfänger von Grundsicherung dürfen nur 2.600 Euro Kapital besitzen. Haben sie mehr, wird auch dieses auf den Anspruch angerechnet. Im Hinblick auf die Kinder ist das Gesetz großzügiger. Diese müssen die Grundsicherung ihrer Eltern erst dann mitfinanzieren, wenn ihr zu versteuerndes Einkommen über 100.000 Euro pro Jahr liegt. Der Antrag auf Grundsicherung im Alter ist im Übrigen jedes Jahr neu zu stellen, sonst versiegen die Überweisungen des Sozialamtes.

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