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„Ein richtiges Ensemble“

Jubiläum Bremens „Junge Akteure“ feiern zehnjähriges Bestehen: Klaas H. Bartsch war schon vor Beginn dabei. Der Jung-Regisseur erklärt die Bedeutung dieses Jugendklubs für das Theater

interview Christine Leitner

taz: Herr Bartsch, wann sind Sie als Jugendlicher zu den Jungen Akteuren (JA) gekommen?

Angefangen habe ich, als es die JA noch gar nicht gab.

Wie kam das?

In den Osterferien habe ich an der Moks-Box teilgenommen.

Das ist ein kostenloser Theaterworkshop in den Osterferien.

Rebecca Hohmann, die heute die Chefin der Jugendsparte ist, war damals als Dramaturgin beim Moks tätig und leitete die Gruppe innerhalb der Moks-Box. Sie fragte mich und einige andere, ob ich nicht an einem Pilotprojekt für die Theaterschule teilnehmen möchte. Im Rahmen einer fünfmonatigen Probenzeit entstand dann das Stück „Wo geht’s hier nach morgen?“

Also war das die Gründung der JA?

Das war das Pilotprojekt. Eine offizielle Gründung gab es erst später, aber das war sozusagen das erste Arbeiten vor dem Arbeiten.

Haben Sie bei den JA wichtige Erfahrungen gemacht?

Klaas H. Bartsch

26, war schon vor der Gründung der jungen Akteure an deren Pilotprojekt beteiligt und studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Seit Januar 2014 ist er als Regieassistent am Theater Bremen tätig.

Auf jeden Fall. Ich habe beispielsweise auch an der Projekt­reihe Tank, Plattform für junge Theatermacher, teilgenommen. Das war eine Plattform, an der man als Jugendlicher eigenverantwortlich Theater ausprobieren konnte.

und auch Freundschaften knüpfen?

Absolut. Viele meiner Freunde kenne ich aus dieser Zeit. Inter­essant ist, dass einige Leute, die man dort kennengelernt hat, auch jetzt noch etwas mit Theater zu tun haben. Es gibt viele, die in diese Richtung studieren, sich professionalisieren und auch schon in diesem Bereich arbeiten.

Sie selber ja auch. Sie arbeiten ja gerade am Projekt „Hikikomori“, das am 14. 11. Premiere hat ...?

Ja, nach meinem Studium bin ich als Regieassistent ans Moks zurückgekehrt. „Hikikomori“ ist meine erste eigene Regiearbeit am Stadttheater. Auch wenn ich schon früher Projekte bei den JA durchgeführt habe.

In der Inszenierung geht es um Jugendliche, die sich vor der Außenwelt verschließen.

Ja, „Hikikomori“ ist die Bezeichnung für eine Krankheit, die in Japan das erste Mal benannt wurde, und sie bezeichnet Menschen, die ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Inzwischen sind aus vielen Jugendlichen Hikikomoris auch schon Erwachsene geworden, die ihr Zimmer seit mehr als 20 Jahren nicht mehr verlassen haben. Einige gehen zwar zwischendurch schon noch einkaufen, aber halt unter dem Versuch, möglichst wenig Menschen zu treffen.

„Die Jungen Akteure machen Theater nicht als Sozialarbeit— sondern mit sozialen und pädagogischen Methoden“

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit einem „richtigen“ Ensemble von den Erfahrungen mit den JA?

Also ich glaube: Die JA sind ein richtiges Ensemble. Allerdings arbeite ich jetzt mit ausgebildeten Schauspielern, es ist schon ein Unterschied, ob man mit jemandem in seiner Freizeit arbeitet oder mit jemandem, dessen Beruf das ist, wie jetzt mit Christoph Vetter für „Hikikomori“. Es hat beides Vor- und Nachteile. Bei der beruflichen Arbeit hat man eben feste Arbeitszeiten. Die JA haben da eine andere Wertigkeit.

Welche genau?

Sie wollen, dass das Stück richtig gut wird und arbeiten in ihrer Freizeit. Die JA zeichnen sich dabei durch einen sehr hohen künstlerischen Anspruch aus. Also sie machen Theater nicht als Sozialarbeit, sondern mit sozialen und pädagogischen Methoden.

Was hat sich in den zehn Jahren groß verändert?

Es gab beispielsweise Wechsel in der Leitung. Zu Beginn hatte Thorsten Wilrodt die Leitung inne, der wurde aber abgelöst von Martin Tamm und Tanja Springer, die als Doppelspitze die JA geleitet haben. Nun ist Nathalie Forstman die Leiterin. Ich glaube aber, die einschneidendste Veränderung war der Umzug der JA von der Schildstraße ans Theater Bremen. In der Schildstraße hatten wir ein eigenes Haus mit mehr oder weniger eigener Bühne, Probenraum und dem Kirschgarten.

Der Trophäenschrank

Für ihre Theaterarbeit erhielten die Bremer Jungen Akteure zahlreiche Preise und Festivaleinladungen:

2008 Bikini (Tina Müller/Regie: Tanja Springer), Norddeutsches Kinder- und Jugendtheaterfestival „Hart am Wind“

2009 Preis der Jugend-Kunst-Stiftung „Start“, Bremen

2010 Meine Heimat ist die Zukunft (Projekt: Klaas Bartsch), Bundestreffen der Jugendklubs an Theatern, Leipzig

2011 Preis der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche (ASSITEJ)

2012 Stadtmusikantenpreis

2013 Warum das Kind in der Polenta kocht (Aglaja Veteranyi/ R: Nathalie Forstman), Theatertreffen der Jugend 2013, Berlin (Nominierung)

2013 dieselbe Produktion: Youth Theatre Arts Scotland, Edinburgh; Bundestreffen der Jugendklubs an Theatern, Oldenburg

2014 Homezone (Projekt: Forstman/Felix Reisel/Christiane Renziehausen), „Kultur macht stark“ Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

2014 Wer? Wir!, Theaterwerkstatt (Leitung: Kristina Pauls und Robin Sondermann), Kaltstart-Festival, Hamburg

2014 Kinder|SOLDATEN (Projekt: Gernot Grünewald), Bundestreffen der Jugendklubs an Theatern, Hannover

2014 dieselbe Produktion: Lessingtage, Thalia Theater, Hamburg; Augenblick Mal! — Biennale 2015, Berlin

dem Kirschgarten?

Der Kirschgarten war ein Raum, wo wir sein konnten, mit einer Küche, Sofas und Duschen. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2011 und 2012 bin ich dort „eingezogen“ und habe im Rahmen des Projektes „Zwischen den Jahren“ Theater gemacht. Erst war ich alleine, im Jahr darauf waren es zehn weitere Jugendliche. Wir haben jeden Abend Programm gemacht.

Ist das denn nicht ein Vorteil für die JA jetzt direkt am Theater zu sein?

Es ist auf alle Fälle spannend, die JA sind ja jetzt Teil eines größeren Konstruktes. Natürlich ist das mit Schwierigkeiten verbunden, aber man hat jetzt auch mehr Möglichkeiten. Auch wenn ein Ort wie der Kirschgarten wirklich fehlt.

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