: Milliardengabe für Konzerne
ENERGIEWENDE Wirtschaftsminister Gabriel will Unternehmen mitAbwrackprämien dafür belohnen, dass sie ihre fossilen Kraftwerke abschalten
von Bernward Janzing
Zwei grundverschiedene Optionen waren in letzter Zeit diskutiert worden, um klimaschädliche Kohlekraftwerke aus dem Markt zu drängen. Erstens: durch gesetzgeberischen Druck wie Abgaben, eine CO2-Steuer und scharfe Emissionsgrenzwerte. Oder zweitens: durch Abschaltprämien. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich nun für den zweiten Weg entschieden. Und zwar, wie sein Ministerium betont, „gemeinsam mit den betroffenen Unternehmen“.
Dieser Anmerkung hätte es nicht bedurft, denn das Konzept zeigt die gute Lobbyarbeit der Branche: Die Braunkohleunternehmen Mibrag, RWE und Vattenfall sollen in den kommenden sieben Jahren 1,6 Milliarden Euro als Entschädigung dafür bekommen, dass sie einige ihrer Kraftwerke vom Netz nehmen. Das Geld soll über die Netzentgelte abgerechnet werden.
Also: Die Stromkunden zahlen. Der Aufschlag werde sich auf 0,05 Cent je Kilowattstunde belaufen, hieß es am Samstag aus dem Ministerium. Im Schnitt sind das etwa 1,75 Euro pro Kunde im Jahr. Die Kritiker stören sich vor allem an der grundsätzlichen Logik hinter dem Konzept: Die Verursacher zahlten nicht, wie ursprünglich geplant, eine Abgabe, kritisiert Christoph Bals von Germanwatch, sondern würden nun subventioniert. Von einem „schmutzigen Deal mit der Braunkohle-Lobby“ spricht auch Tina Löffelsend, Energieexpertin des BUND.
Im Detail sieht das Konzept so aus: Von 2016 an werden Braunkohleblöcke der drei Unternehmen mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt schrittweise aus dem Markt genommen und vorläufig stillgelegt. Anschließend stehen sie jeweils noch für vier Jahre als Reserve zur Verfügung, danach werden sie endgültig stillgelegt. Es handelt sich um acht Blöcke, sie produzieren rund 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Stromkapazitäten. Die Betreiber erhalten laut Ministerium eine Vergütung in Höhe von jährlich 230 Millionen Euro, sieben Jahre lang. Das Wirtschaftsministerium rechnet durch diesen Anreiz mit einer Emissionsminderung in Höhe von 11 bis 12,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020: „Dieser Minderungsbeitrag ist nötig, um unsere nationalen Klimaziele zu erreichen.“ Man habe das Thema „intensiv mit der Europäischen Kommission besprochen“, heißt es aus Gabriels Ministerium. Man sei zuversichtlich, dass die Zahlungen an die Kohlefirmen nicht gegen das Beihilferecht verstoßen. Der Gesetzentwurf soll im November im Bundeskabinett beschlossen werden.
Oliver Krischer, Grüne
„Besonders skandalös“ findet es der BUND, dass die Regierung zum Teil für Kraftwerke bezahlt, die ohnehin vom Netz gegangen wären, wie die nordrhein-westfälischen Standorte Frimmersdorf und Niederaußem. Schon lange haben die Konzerne wenig Freude an ihren Großkraftwerken, weil der Strommarkt natürlich die massiven Überkapazitäten an Grundlastkraftwerken in Mitteleuropa erbarmungslos widerspiegelt: Die Megawattstunde wurde in den letzten Tagen im Großhandel zum Rekordniedrigpreis von 28 Euro gehandelt.
Deshalb kritisiert auch die Opposition die Regierungspläne: Von einem „Milliardengeschenk von Sigmar Gabriel an RWE & Co“ spricht Grünen-Energieexperte Oliver Krischer. Diese Braunkohlereserve brauche niemand. Derweil kann Christoph Bals von Germanwatch dem Konzept immerhin eine positive Seite abgewinnen: „Das Signal ist klar: Diese Einigung ist der Anfang vom Ende der Braunkohleverstromung in Deutschland.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen