Ganz schön anrüchig

FlussgeschichteSchmutziges Gewerbe wie Gerbereien machte sie zur Stinkepanke, und trotzdem amüsierten sich die Berliner mit viel Bier wie Bolle an ihr: die Panke im Lauf der Zeit

Stur geradeaus, ein kasernierter Fluss: die Panke, eingeklemmt zwischen Ufer- und Orthstraße, 1927 Foto: Ullstein Bild

Das Ende ist ungewiss. Wo die Panke in die Spree fließt, wissen viele gar nicht. Tut sie das überhaupt? Gerüchte kursieren, es gebe eine Uferstelle unterhalb des Berliner Ensembles, da ende der kleine im großen Fluss. Wenn man aber nachsieht, sieht man da außer einem mickrigen Loch so gut wie nichts. Ja, was denn nun?

„Am Schiffbauerdamm zwee fließt die Panke in die Spree“, dichtete der Volksmund vor vielen Jahren, und auch wenn die Hausnummer nicht korrekt sein soll: Hier gibt es tatsächlich eine Mündung. Nur kommt von der Panke herzlich wenig an. Ihr Wasser ergießt sich weitgehend unbemerkt in den Nordhafen zwischen Moabit und Wedding. Der Graben, der es dorthin leitet, zweigt oberhalb der Chausseestraße vom Fluss ab. Friedrich I. ließ ihn einst bauen, um mit seinen Lustschiffen Schloss Schönhausen erreichen zu können. Der ursprüngliche Flusslauf – hinterm BND-Neubau vorbei, übers Charitégelände zum Schiffbauerdamm – wurde beim Mauerbau abgeklemmt und ist bis zum heutigen Tage ein lächerliches Rinnsal.

Ein Stück flussaufwärts, in Gesundbrunnen und dem südlichen Teil von Pankow, waren die Zeiten schon mal schlechter für die Panke. „Stinkepanke“ wurde sie jahrzehntelang gescholten, weil sich hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allerlei schmutzige Industrien ansiedelten. Ein Dokument von 1882 listet 23 Gerbereien, vier Leimsiedereien, eine Darmseidenfabrik, zwei Papierfabriken und eine Knochenkocherei auf. Die Gerbereien verpesteten Luft und Fluss, sorgten aber immerhin an anderer Stelle für mehr Sauberkeit: 500 Eimer Hundekot sollen damals täglich bei der Behandlung der Tierhäute zum Einsatz gekommen sein.

Verglichen mit damals ist die Panke also schon heute ein Ökoparadies – auch weil die zur Abwasserentsorgung im Umland angelegten Rieselfelder sie schon im Oberlauf belasteten.

Das Vergnügen an der Panke

Dem Publikum der zahlreichen Vergnügungsbetriebe, die sich schon seit dem 18. Jahrhundert am Mittellauf angesiedelt hatten, war das egal. Es amüsierte sich wie Bolle, köstlich nämlich, wie uns das Berliner Liedgut verrät.

Die Schankwirtschaften waren als Nebenerwerb der Müller entstanden, die sich die Wasserkraft der Panke zunutze machten. An der Badstraße in Gesundbrunnen steht noch heute ein ehemaliges Mühlengebäude.

Ein Stück weiter flussaufwärts in Pankow war eine Papiermühle durch Brand und Hochwasser zerstört worden, als der Verleger Killisch von Horn 1857 das Gelände kaufte. Er baute ein noch vorhandenes Wohnhaus zum Herrenhaus aus und wandelte das Zweieinhalb-Hektar-Areal zum Privatpark um. Nach seinem Tod gelang es der Gemeinde im Jahr 1907, das Gelände zu kaufen – es ist der heutige Bürgerpark.

PS: Dass die Panke in die Spree mündet, ist übrigens nur die halbe Wahrheit. Über den Nordhafen gelangt ihr Wasser mindestens teilweise in die Spandauer Havel. Und ein weiterer Teil ist schon vorher dort gelandet – über den Nordgraben, der Pankow mit Tegel verbindet. Claudius Prößer