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"Wenig dringt nach außen"

LESUNG Olivia Douglas und Salman Nurhak lesen Gedichte zum Thema "Fremd verortet"

Salman Nurhak

53, ist Künstler und Schriftsteller und emigrierte als politisch verfolgter Kurde 1991 aus der Türkei nach Bremen.

taz: Herr Nurhak, Sie waren gerade in der Türkei und haben Überlebende des Massakers von Maras im Jahr 1978 besucht – was genau ist damals passiert?

Salman Nurhak: Fast 1.500 Aleviten wurden damals von türkischen Nationalisten getötet – darüber habe ich, neben zwei Gedichtbänden, auch ein Buch geschrieben. Bei meinem Besuch in der Türkei im August und September habe ich Überlebende fotografiert und interviewt – die können schwer vergessen, was sie damals erlebt haben.

Der Waffenstillstand zwischen der türkischen Regierung und der PKK ist vorbei. Vor wenigen Tagen sind bei einem Bombenanschlag in Ankara über 100 Menschen ums Leben gekommen. Wie groß ist die Angst, dass sich angesichts der jüngsten Ereignisse die Geschichte wiederholen könnte?

Diesen Vergleich zieht konkret niemand, aber auch in der Erdogan-Diktatur gibt es keinerlei Minderheitenrechte für kurdische Aleviten und Armenier. Deswegen darf die Türkei auf keinen Fall zum sicheren Herkunftsland erklärt werden.

Erhoffen Sie sich eine Änderung durch die Parlamentswahl im November?

Nein, ich habe da wenig Hoffnung. Zu wenig dringt nach außen, Journalisten sind unter Druck und können nicht frei arbeiten. Immer wieder werden Twitter und andere Kanäle einfach abgeschaltet. Die Menschen werden nicht ausreichend informiert.

Aufgrund des PKK-Verbots fühlen sich viele Kurden auch in Deutschland diskriminiert – wie erleben Sie das?

Die Kurden können in Deutschland frei ihre Meinung sagen, ihre Kultur ausleben und Politik machen. Das ist überhaupt kein Problem. Auch das Zusammenleben mit den Türken ist kein Problem: Die meisten von ihnen sind ebenso gegen die Erdogan-Diktatur wie wir.

Wie erklären Sie sich dann, dass die Drogeriekette dm eine Spendenaktion für Kurden abgesagt hat, weil sie bedroht wurde?

Türkische Rassisten gibt es überall, auch hier. Sie sind aber in der Minderheit. Ich finde, dass die Entscheidung von dm falsch ist.

INTERVIEW: SCHN

16 Uhr, Akademie Steinreich, Schwachhauser Heerstraße 2a

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