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„Wie das Jüngste Gericht“

SYRIEN Mit Unterstützung der russischen Luftwaffe setzt Syriens Armee ihre Bodenoffensive gegen Rebellen bei Homs fort. Ein Durchbruch blieb jedoch bisher aus

„Die Menschen können nirgend-wohin fliehen“

Aktivist aus Talbiseh

HOMS dpa | Bei russischen Bombardements und einem neuen Großangriff der syrischen Armee auf Rebellen sind Aktivisten zufolge nördlich der Stadt Homs mindestens zehn Menschen getötet worden. In dem Gebiet gebe es heftige Gefechte zwischen Anhängern des Regimes und Kräften der Opposition, teilte die in London ansässige oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag mit.

Die Rebellen halten nördlich von Homs in Mittelsyrien eine Enklave unter ihrer Kontrolle. Das russische Verteidigungsministerium berichtete von mehr als 30 neuen Luftangriffen auf Ziele in Syrien.

Ein Aktivist aus dem Ort Talbiseh sagte gegenüber dpa, unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder. Die Anhänger der syrischen Führung seien vorgerückt. Die Region wird von verschiedenen gemäßigten und radikalen Rebellen gehalten. Die moderate Freie Syrische Armee (FSA) beherrscht nach Darstellung von Aktivisten Talbiseh. Extremisten wie die Nusra-Front, ein syrischer Ableger von Al-Qaida, oder des Islamischen Staates gibt es demnach nicht in dem Ort.

„Die Menschen können nirgendwohin fliehen“, sagte der Aktivist. „Unter ihnen herrschen Angst und Schrecken. Als wäre es der Tag des Jüngsten Gerichts.“ Talbiseh ist umkämpft, weil durch den Ort eine wichtige Verbindungsstraße Richtung Norden führt. In der Stadt und dem Umland sollen noch mehrere Zehntausend Menschen leben.

Syriens Armee und ihre Verbündeten hatten vor mehr als einer Woche mit russischer Luftunterstützung in mehreren Regionen eine Bodenoffensive gegen Rebellen begonnen. Die russischen Bombardements sind im Westen umstritten. Dem Kreml zufolge sollen die Angriffe den IS bekämpfen. Die USA, andere westliche Staaten und syrische Aktivsten werfen Moskau jedoch vor, dass die meisten Einsätze Rebellen treffen, die mit dem IS verfeindet sind. Russland will den von westlichen Staaten lange betriebenen Sturz der syrischen Regierung verhindern.

Um Zwischenfälle mit dem israelischen Militär zu vermeiden, richteten Russland und Israel einen Informationsaustausch ein. Dafür sollten sich die Militärs beider Länder auf dem Laufenden halten, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. Israel hatte auf syrischem Gebiet unbestätigten Berichten zufolge mehrfach Luftangriffe gegen mutmaßliche Waffentransporte geflogen. Das Militär geht vor allem gegen die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah vor.

Nach Einschätzung des Kriegsforschungsinstituts ISW in Washington haben die Regimekräfte bislang keine bedeutenden Geländegewinne erzielt. Die Armee und ihre Verbündeten hätten durch den starken Widerstand der Rebellen jedoch hohe Verluste erlitten. Das Regime wird bei der Offensive nach unterschiedlichen Angaben von Kämpfern aus dem Iran und der libanesischen Hisbollah unterstützt.

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