Deutsche Prepaid-Karten: Kein Datenschutz für Geflüchtete?
Provider sollen nach drei Monaten die aktuellen Adressen von Geflüchteten erfragen. Doch eigentlich gehen sie die gar nichts an.
Wer keine passable Bonität vorweisen kann, ganz zu schweigen von einem deutschen Pass, hat es hierzulande schwer, einen Mobilfunkvertrag zu bekommen. Geflüchtete wählen daher Prepaid-Karten, wenn sie per Handy kommunizieren wollen. Bei denen haben die Telekommunikationsanbieter kein finanzielles Risiko – schließlich zahlt der Kunde sein Guthaben schon beim Kauf.
Doch auch dort sollen Geflüchtete Nachteile in Kauf nehmen – zumindest, wenn es nach der Bundesnetzagentur geht. Die fordert die Provider auf, beim Verkauf einer Prepaid-Karte an Geflüchtete die Adresse der jeweiligen Erstaufnahmestelle aufzunehmen. So weit normal – laut dem Telekommunikationsgesetz sind Verbraucher beim Kauf verpflichtet, Name, Adresse und Geburtsdatum zu nennen. Allerdings ist der Verkäufer nicht verpflichtet, diese Angaben zu überprüfen – in der Praxis sind also auch eine Reihe von SIM-Karten im Umlauf, die auf falsche Daten registriert sind.
Doch bei Menschen, die beim Kartenkauf die Adresse einer Erstaufnahmestelle angeben, soll folgende Besonderheit greifen: Drei Monate nach dem Kauf soll der Telekommunikationsprovider den Nutzer per SMS auf Englisch und Arabisch auffordern, eine aktuelle Adresse – die auch die alte sein kann – zu hinterlegen. Reagiert der Nutzer nicht, wird die Karte laut Michael Reifenberg, Sprecher der Bundesnetzagentur, 14 Tage später abgeschaltet.
Asylsuchende sollten so die Möglichkeit bekommen, einen Mobilfunkanschluss zu erhalten, „ohne die gesetzlichen Vorgaben außer Acht zu lassen“, erklärt Reifenberg. Eine Erstaufnahmestelle sei keine dauerhafte Anschrift, daher müssten die Provider nachhaken. Datenschützer sehen das anders. „Damit steht ein Merkmal wie‚Flüchtling‘,oder‚Migrant‘in den Bestandsdaten, das ist datenschutzwidrig, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt“, kritisiert Werner Hülsmann von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.
Die Bundesnetzagentur betont zwar, dass das Verfahren keine dauerhafte Kennzeichnung des Kunden nach sich ziehen werde, ein Merkmal wie „Migrant“ solle es nicht geben. Doch Hülsmann hält das für unplausibel. Schließlich müsse allein, um nach drei Monaten eine SMS verschicken zu können, irgendwo in der Software eine entsprechende Information hinterlegt sein – auch die Information, dass eine derartige SMS versendet werde oder wurde, lasse entsprechende Rückschlüsse zu.
Die fehlende Pflicht zur Adressprüfung beim Verkauf von SIM-Karten ist vor allem Sicherheitsbehörden ein Dorn im Auge. Denn sie haben ein Interesse an korrekten Adressen. Sonst führen manche Ermittlungswege ins Leere, etwa wenn eine SIM-Karte ihrem Verwender zugeordnet werden soll. Das passiert etwa nach dem Einsatz von IMSI-Catchern, mit denen sich ermitteln lässt, welche SIM-Karte zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Funkzelle eingebucht war.
Laut einem Sprecher der Bundesnetzagentur geht die – mit dem Wirtschafts- und Innenministerium abgestimmte – Regelung auf Anfragen der Provider zurück, die wissen wollten, wie sie mit der Registrierung von Geflüchteten ohne dauerhaften Wohnsitz umgehen sollen. Datenschützer Hülsmann kritisiert, dass so mit zweierlei Maß gemessen werde: Regulär ist beim Kauf einer SIM-Karte der Kunde dafür zuständig, die Adresse aktuell zu halten. Provider fragen etwa nicht nach, ob ein Kunde umgezogen ist – und hätten auch keine Rechtsgrundlage dafür.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben