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Die „saisonale Illusion“ frisst ihre Kinder

Energiehäuser Das Eigenheim kann heute zum Energielieferanten werden. Doch nicht jedes Konzept, das unter dem Siegel Plusenergie läuft, ist wirklich ein Gewinn, weil sich schwankende Einspeisung ins Energienetz nicht so einfach ausgleichen lässt

Von Bernward Janzing

Das Haus als Kraftwerk – kein Problem. Längst werden Häuser gebaut, die mehr Energie gewinnen, als darin verbraucht wird. Vor allem sind es drei Aspekte, die ein Haus zu einem solchen Plusenergiehaus machen: ein minimaler Wärmebedarf durch gute Dämmung, ein sparsamer Umgang mit Strom und eine bestmögliche Nutzung erneuerbarer Energien.

Und doch ist nicht jedes Konzept sinnvoll, das in der Jahresbilanz ein Plus hervorbringt. Vor allem das vor vier Jahren gestartete Modellvorhaben „Effizienzhaus Plus“ des Bundesumweltministeriums betrachten Experten zunehmend kritisch. Es basiert darauf, dass eine Photovoltaikanlage im Sommer viel Strom ins Netz einspeist und man das Gebäude im Winter dann per Netzstrom und elektrische Wärmepumpe beheizt. Im Idealfall bleibt dann zwar bilanziell ein Energiegewinn – aber kann das die Zukunft des Bauens sein?

Timo Leukefeld, Experte für energieeffizientes Wohnen an der TU Freiberg, hat für solche Konzepte den Begriff der „saisonalen Illusion“ geprägt. Denn die Photovoltaik erzeugt 80 Prozent ihres Stroms im Sommerhalbjahr, der Verbrauch der Wärmepumpe aber fällt zu 80 Prozent ins Winterhalbjahr. Das Modell funktioniert also nur unter der Annahme, das Netz werde schon alles ausgleichen.

Was natürlich reichlich vermessen ist. Schon 2013 hatte Anna Bedal von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie gewarnt, das „Effizienzhaus Plus“ sei „in doppeltem Maße ineffizient“, weil es weder wirtschaftlich noch ökologisch gesehen eine sinnvolle Zukunftsvision biete.

Im Hinblick auf die Energiewende könne es sich sogar als schädlich erweisen: „Im Winter sorgen Wärmepumpen für zusätzliche Lasten im Stromnetz, bei einer Forcierung könnte auch der Bau von weiteren Kraftwerken erforderlich werden.“ Unbeirrt bezeichnet das Umweltministerium die Häuser jedoch weiterhin als „eigenständiges kleines Kraftwerk“.

Doch das Konzept könnte bald ein jähes Ende finden. Professor Leukefeld erwartet, dass solche Lösungen ökonomisch aus dem Ruder laufen werden. Denn für Solarstrom bekommt man immer weniger Vergütung, zugleich aber steigt der Preis für den Netzstrom stetig. Da das Konzept nur durch Kauf und Verkauf von Strom aufgeht, ist man doppelt getroffen.

Der Strom für die Wärmepumpe dürfte sogar überproportional teurer werden, sobald die lange schon diskutierten zeitvariablen Stromtarife kommen. Denn wenn es kalt ist, etwa während winterlicher Hochdrucklagen, ist der Strompreis im Großhandel oft sehr hoch – also gerade dann, wenn Wärmepumpen intensiv laufen. Bislang können solche Preisspitzen noch nicht in Echtzeit an die Verbraucher durchgereicht werden, sondern verschwinden in einer Mischkalkulation der Versorger. Mit dem elektronischen Stromzähler, der in den nächsten Jahren zumindest in die verbrauchsstarken Haushalte einziehen soll, dürfte sich das ändern. „Zeitvariable Tarife werden die Wärmepumpe am meisten treffen“, prophezeit Leukefeld.

Doch wenn nun das Konzept des „Effizienzhaus Plus“ nichts taugt, wie sieht dann ein durchdachtes Plusenergiehaus aus? Eine entscheidende Kenngröße ist der solare Deckungsgrad. Dieser gibt an, zu welchem Anteil der Wärmebedarf eines Objekts tatsächlich durch die Sonne gedeckt wird – und nicht nur rechnerisch. Wenig überraschend publizieren die Projektverantwortlichen des „Effizienzhaus Plus“ diese Kennzahl gar nicht erst.

Am günstigsten lasse sich ein hoher solarer Deckungsgrad mit Sonnenkollektoren und einem großen Wärmespeicher erzielen, sagt der Freiberger Energieexperte. Schon allein deswegen, weil Wärmespeicher im Vergleich zu Stromspeichern um den Faktor 75 billiger seien. Mit einem Wassertank von fünf bis sieben Kubikmetern – das ist weniger, als manche Häuser heute noch an Öltanks im Keller haben – sei eine solare Deckungsrate (auf Heizung und Warmwasser bezogen) von 50 Prozent möglich.

Üppige Elektronik macht die Projekte teuer und frisst alle Effizienzgewinne auf

Im sächsischen Freiberg hat Leukefeld zwei Häuser gebaut, die ihren Wärmebedarf zu rund zwei Dritteln rein solar decken. Zugleich versorgen die Gebäude sich komplett mit Strom vom Dach, die Bewohner müssen also keinen Strom zukaufen. Überschüsse gibt es hingegen, sie fließen ins Netz. „Vernetzte Autarkie“ nennt der Planer dieses Prinzip.

Mit großen Wärmespeichern hat auch das Sonnenhaus-Institut in Straubing viel Erfahrung. Mehr als zwei Dutzend Häuser mit einer solaren Deckungsrate von mehr als 90 Prozent listet das Institut inzwischen auf, selbst Projekte mit 100 Prozent gibt es, etwa eines in Regensburg mit 83 Quadratmeter Kollektoren und 38 Kubikmeter Wasserspeicher.

Und noch in einem anderen Punkt weichen die Sonnenhäuser von den Effizienzhaus-Plus-Objekten ab: beim Ausmaß der installierten Technik. „Wir brauchen in den Häusern eine Enttechnisierung“, sagt Leukefeld. Denn zunehmend macht üppige Elektronik die Projekte teuer und frisst zudem alle Effizienzgewinne auf.

Manche der bislang 35 „Effizienz-Plus“-Häuser sind zum Beispiel mit einem Bussystem ausgestattet, einer aufwendigen Daten- und Steuerungstechnik. Dieses Bussystem koste rund 30.000 Euro, sagt Ingenieur Leukefeld, und es verbrauche im Jahr 600 bis 1.000 Kilowattstunden Strom. Die Bezeichnung Effizienzhaus verkommt damit zum Werbegag – denn mit dieser Strommenge kommt mancher Zweipersonenhaushalt ein ganzes Jahr lang über die Runden.

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