: Die Opposition will es wissen
Geheimdienst Hat der BND deutsche Stellen ausgespäht? Grüne und Linke wollen das prüfen und erheben Verfassungsklage. Sie fordern Einsicht in die NSA-Selektorenliste
aus Karlsruhe Christian Rath
Rechtsanwalt Wolfgang Ewer flog am Mittwoch persönlich nach Karlsruhe, um die Klageschrift abzugeben. Acht Exemplare hatte er dabei, eines für jeden Richter des Zweiten Senats – ohne Schwärzungen. Die Öffentlichkeit bekommt die 159-seitige Verfassungsklage dagegen nur mit seitenweisen Schwarzflächen zu sehen, weil es um geheime Inhalte geht: die NSA-Selektorenliste. Grüne und Linke wollen mit der gemeinsamen Klage erreichen, dass der Bundestag Einblick in das Papier erhält.
Im April 2015 kam heraus, dass der Bundesnachrichtendienst die internationale Kommunikation mit Hilfe von über einer Million Selektoren überwacht, die ihm der US-Geheimdienst NSA zur Verfügung stellte. Teilweise bezogen sich die Selektoren (etwa E-Mail-Adressen und Telefonnummern) auch auf deutsche und europäische Ziele wie den Rüstungskonzern EADS. Rund 40.000 dieser Selektoren hatte der BND selbst ausgesondert.
Der NSA-Untersuchungsausschuss verlangte Einblick in die Selektorenlisten, doch die Bundesregierung wollte erst die USA um Erlaubnis fragen. Im Juni einigte sich die Regierung dann mit der Ausschussmehrheit aus Union und SPD auf die Einsetzung eines Sonderermittlers. Kurt Graulich, ein ehemaliger Bundesverwaltungsrichter, erhält Einblick in die Listen und soll dem Ausschuss in diesem Herbst berichten.
Das genügte der Opposition aber nicht. Schließlich wurde Graulich von der Bundesregierung eingesetzt und will sich ihr gegenüber „loyal“ verhalten. Seine Auskünfte werde er „in enger Absprache“ mit der Regierung geben, sagte er in einem Interview. Die Abgeordneten von Grünen und Linken wollen die Selektorenlisten aber selbst prüfen können.
Die beiden Fraktionen haben jetzt Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil die Regierung dem Untersuchungsausschuss wichtige Beweismittel verweigere. Prozessbevollmächtigter ist der Kieler Anwalt Ewer, Expräsident des Deutschen Anwaltvereins. Geheime Unterlagen durfte er nicht in seiner Kanzlei bearbeiten, weil die Regierung den Tresor nicht sicher genug fand und das Gebäude nicht rund um die Uhr bewacht wird. Stattdessen musste er in der Geheimschutzstelle des Kieler Innenministeriums arbeiten, was die Klage deutlich verzögerte.
Die Bundesregierung hatte die Verweigerung damit begründet, dass die Geheimdienstzusammenarbeit mit den USA gefährdet sein könnte. Sie berief sich auch auf ein Geheimschutzabkommen der beiden Länder von 1960. Die Kläger halten das Abkommen aber für unbeachtlich, weil es selbst geheim ist. Außerdem dürfe ein bloßes Verwaltungsabkommen gar nicht in die Rechte des Bundestags eingreifen. Letzteres ließen sich die Kläger auch durch ein separates Gutachten des Münchner Rechtsprofessors Christian Walter bestätigen.
Es sei auch nicht ersichtlich, so die Klage, warum es im Untersuchungsausschuss eher zu Indiskretionen kommen sollte als in der Regierung. Und selbst wenn, wäre dadurch die Sicherheit der Vereinigten Staaten nicht bedroht. Schließlich gehe es nur um ein Programm der Auslandsaufklärung. Berichte darüber wären für die USA allenfalls „peinlich“, so Ewer.
Das Verfahren wirft Fragen auf, die in Karlsruhe noch nicht entschieden wurden. Mit einem schnellen Urteil ist daher nicht zu rechnen. Die Kläger haben das Gericht dennoch „eindringlich“ um ein baldiges Urteil gebeten. Zunächst müssen in Karlsruhe aber einige wissenschaftliche Mitarbeiter eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, damit nicht nur die Richter die ungeschwärzte Klage bearbeiten können.
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