: „Eine Befriedungsstrategie wird nicht aufgehen“
PLEBISZIT Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative Mietenvolksentscheid, über die Schwierigkeiten direktdemokratischer Mittel
Mit einer Volksinitiative wird das Abgeordnetenhaus gezwungen, sich mit einem Thema zu beschäftigen. 20.000 Unterschriften sind dafür nötig.
Bei einem Volksbegehren müssen zunächst 20.000 BürgerInnen unterschreiben, damit das Begehren zugelassen wird. Im zweiten Schritt braucht es dann die Unterschriften von 7 Prozent der Wahlberechtigten.
Wird auch diese Hürde genommen, kommt der Volksentscheid,die eigentliche Abstimmung über das Gesetz. Stimmt die Mehrheit der BürgerInnen, mindestens aber ein Viertel aller Wahlberechtigten für den Entwurf, ist er angenommen. (mgu)
taz: Herr Taheri, als Teil der Initiative Mietenvolksentscheid haben Sie in den letzten Monaten viel Erfahrung mit den Möglichkeiten direkter Demokratie gesammelt. Wird es den BerlinerInnen schwer gemacht, diesen Weg zu gehen?
Rouzbeh Taheri: Seit den letzten Gesetzesänderungen ist es sicher einfacher geworden, ein Volksbegehren zu initiieren. Dennoch gibt es in Berlin noch Nachholbedarf, gerade was das Abstimmungsgesetz angeht – in Hamburg sieht die Situation zum Beispiel deutlich besser aus.
Was genau kritisieren Sie am Berliner Abstimmungsgesetz?
Es ist an entscheidenden Stellen sehr vage und unpräzise. Das gibt der Verwaltung Spielraum, den Text nach Lust und Laune auszulegen. So ist zum Beispiel die Dauer des Prüfverfahrens nicht festgehalten – unseren Gesetzentwurf prüft die Innenverwaltung jetzt bereits seit drei Monaten, das kann nicht sein. Unklar ist auch, was die Formulierung bedeutet, dass nachträglich keine „wesentlichen“ Änderungen am Gesetzentwurf gemacht werden dürfen: Wer bestimmt denn, was wesentlich ist? Auch in unserem Fall, wo ja fast alle Änderungen abgelehnt wurden, sind wir sicher, dass die Verwaltung ihren Ermessensspielraum zugunsten des Senats ausgenutzt hat.
Teile der SPD möchten die Bevölkerung frühzeitiger in Entscheidungsprozesse einbeziehen – auch damit es gar nicht erst zu Volksentscheiden kommt. Ist das der richtige Weg?
Frühzeitige Einbeziehung ist natürlich immer eine gute Idee. Allerdings nicht, um direktdemokratische Mittel zu ersetzen, sondern um sie zu ergänzen. Die Politik muss akzeptieren, dass es mittlerweile zwei Formen der Gesetzesgebung gibt: über die Parlamente und über die direkte Demokratie. Es ist gut, wenn Berlin sich darüber Gedanken macht, wie die Berlinerinnen und Berliner besser partizipieren können, aber eine Befriedungsstrategie gegen Volksentscheide wird ganz sicher nicht aufgehen.
Nur wer gut vernetzt ist, kann einen Volksentscheid anstoßen, für weite Teile der Bevölkerung ist dieses Mittel nicht zugänglich – so lautet eine häufige Kritik. Teilen Sie diese?
Es ist immer so, dass man sich organisieren muss, um politisch etwas zu erreichen. Aber anders als bei einer Wahl, wo die Bürger den Parlamentariern einen Blankoscheck für die nächsten Jahre ausstellen, können die Menschen bei einem Volksentscheid über einen Sachverhalt entscheiden – und zwar alle, die wahlberechtigt sind. Eine Gruppe kann vielleicht gut vernetzt sein und die ersten beiden Stufen eines Entscheids deswegen gut meistern – aber am Ende entscheiden die Berlinerinnen und Berliner.
41, ist Diplomvolkswirt und Mitglied des Koordinierungskreises der Initiative Mietenvolksentscheid Berlin.
Inwiefern müssen sich Ihrer Meinung nach die Rahmenbedingungen direkter Demokratie ändern?
Das Abstimmungsgesetz muss dringend novelliert und präzisiert werden. Insgesamt muss die Volksgesetzgebung der parlamentarischen Gesetzgebung gleichgestellt werden – warum sollten die Bürger nicht über die gleichen Dinge entscheiden können wie die Parlamentarier? Gerade in Finanzfragen hält die Politik die Bürger oft für unmündig – völlig absurd, wenn man sich anschaut, welche finanziellen Debakel die parlamentarische Politik verursacht. Interview Malene Gürgen
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