Wahlkampf in Polen: So viele Frauen waren es noch nie

Fast alle Parteien treten bei der Parlamentswahl im Oktober mit einer Spitzenkandidatin an. Premier könnte wohl wieder eine Frau werden.

Die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz.

Von vielen unterschätzt: die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz. Foto: dpa

WARSCHAU taz | Die polnische Politikerin Beata Szydlo hatte die Lacher auf ihrer Seite, als sie sich auf dem Parteitag der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS) einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte: „Ich heiße Szydlo, Beata Szydlo“. Damit wollte sie dem Verdacht entgegentreten, dass sie – sollte sie die Parlamentswahlen im Oktober gewinnen und Regierungschefin werden – nur eine Marionette des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski sein würde. Nicht Bond, alias Agent 007 alias Kaczynski würde dann den ewigen Kampf um das Gute in der Welt aufnehmen, sondern das Bond-Girl selbst, das Kaczynski-Mädchen, die Exbürgermeisterin der 20.000-Seelen-Gemeinde Brzeszcze – Beata Szydlo.

Begonnen hatte der rasante Aufstieg zahlreicher Polinnen in politische Spitzenämter, als Premier Donald Tusk EU-Ratspräsident wurde und alle bisherigen Ämter in Polen niederlegte. Anders als von vielen erwartet, trat nicht Radoslaw Sikorski, der damalige Außenminister Polens, die Nachfolge Tusks als Regierungschef an. Vielmehr übernahm Ewa Kopacz, die damalige Sejm-Marschallin (Präsidentin des Abgeordnetenhauses), die Regierungsgeschäfte. Vielen galt sie nur als Interimslösung bis zu den nächsten Wahlen. Kaum jemand traute Kopacz Führungsqualitäten zu, auch wenn das für Frauen in solchen Positionen übliche Attribut der „eisernen Lady“ wieder die Runde machte.

Obwohl in Polens Wahlgesetz eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent auf den Wahllisten vorgesehen ist, führte dies in den letzten Jahren nicht zu einem signifikant höheren Anteil von Frauen im Parlament, da die aussichtsreichsten ersten Listenplätze fast immer Männern vorbehalten blieben.

In diesem Jahr ist alles anders. Nachdem Kopacz in den letzten Monaten etliche Politikerinnen in wichtige Positionen vorrücken ließ, wandelte sich auch in der Öffentlichkeit das Bild einer Frau in der Politik. Heute wirken eine Regierungschefin, Sejm-Marschallin, Ministerinnen, die Regierungssprecherin oder Spitzenkandidatinnen der diversen Partei fast schon wie selbstverständlich.

Ordinäre Ausdrucksweise

Dazu trugen auch die Abhörskandale bei, die zumeist Politikern der PO zum Verhängnis wurden. Nicht, weil diese Politiker etwas Illegales getan oder Staatsgeheimnisse ausgeplaudert hätten, sondern weil sie sich – im Glauben unbelauscht zu sein – so unfassbar ordinär, ja vulgär ausgedrückt hatten.

Die WählerInnen haben die immer gleichen Politikergesichter satt.

Peinlich wurde es insbesondere für den damaligen Außenminister Sikorski, der seinem Gesprächspartner bei einem exorbitant teuren Dienstessen einen Botschafterposten in Paris anbot und seine Einschätzung der außenpolitischen Situation Polens so zum Besten gab: „Das polnisch-amerikanische Bündnis ist nichts wert, totaler Bull- shit. […] Wir glauben, dass alles bestens ist, nur weil wir den Amerikanern einen geblasen haben.“

Auch der britische Premier Cameron kam bei Sikorski nicht übermäßig gut weg: „Er hat den EU-Fiskalpakt gefickt. Er kapiert einfach gar nichts!“ Bei den kommenden Parlamentswahlen will Sikorski, der inzwischen alle politischen Ämter niedergelegt hat, nicht mehr antreten. Ähnlich ging es auch anderen Politikern in Polen.

Für die Psychologin Hanna Bednarek aus Poznan/Posen hängt der Aufstieg der Politikerinnen in Polen mit der „schlechten Männerpolitik“ und deren „ewig gleichem Streit“ zusammen. Die Wähler und Wählerinnen haben die seit Jahren immer gleichen Politikergesichter satt. Sie sind bereit, auch ein Risiko einzugehen und eine bislang unbekannte Person zu wählen.

Überraschungssieger Andrzej Duda

Dies ist bei den Präsidentschaftswahlen im Mai diesen Jahres bereits geschehen. Völlig überraschend gewann Andrzej Duda, ein Hinterbänkler der PiS und politischer Nobody, die Wahl gegen den bisherigen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski.

Dieser Trend könnte sich bei den Parlamentswahlen fortsetzen. Die Trumpfkarte der bisherigen Regierungschefin ist allerdings: Sie wurde nicht abgehört und ist in keinen Skandal verwickelt. Dies gilt für viele Politikerinnen ebenfalls.

Nicht so sehr hingegen für Politiker. So setzen inzwischen fast alle Parteien auf Spitzenkandidatinnen. Und Beata Szydlo mausert sich von der Landpomeranze mit dem griesgrämigen Leidensgesicht zu einem Bond-Girl mit Power-Attitüden. Zur Zeit braust sie mit einem vollklimatisierten Bus durch Polen und schüttelt möglichst vielen Wählerinnen die Hand.

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