piwik no script img

Kommentar RWE und BraunkohleEin verzweifelter Kampf

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

RWE muss sich sich schnellstens eine neue Strategie zulegen. Leider hat der Konzern aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt.

15. August: Protestmarsch nahe Garzweiler II. Foto: dpa

F ast könnte der Energiekonzern RWE einem leidtun: Die Tage der Atomreaktoren, mit denen der Konzern in der Vergangenheit Milliarden verdient hat, sind gezählt. Die Perspektiven der zahlreichen Kohlekraftwerke, die heute das wichtigste Geschäftsfeld bilden, sind unklar. Mit den Gewinnen sinken Börsenkurs und öffentliches Ansehen. Und dann muss sich der Stromversorger auch noch mit Klimaaktivisten herumschlagen, die seinen größten Tagebau besetzen!

Doch für Mitleid besteht keinerlei Grund. Denn das Unternehmen hat aus den Fehlinvestitionen der Vergangenheit nichts gelernt, sondern setzt weiter auf die Energie von gestern: RWE klagt nicht nur vor Gericht gegen den Atomausstieg, sondern kämpft auch mit allen Mitteln für die Zukunft der Braunkohle, die nicht nur ganze Landschaften vernichtet, sondern auch die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung darstellt.

Bisher war RWE es gewohnt, dass sich die Wirklichkeit an die Wünsche des Unternehmens anpasst: Dörfer, die dem Tagebau im Weg stehen, werden abgerissen. Politiker werden entweder durch lukrative Aufsichtsratsposten eingebunden oder bekommen – wie kürzlich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel – die geballte Lobbymacht zu spüren, wenn sie Maßnahmen beschließen wollen, die RWE nicht passen.

Doch diese Strategie wird bald nicht mehr funktionieren. Genauso wenig, wie sich eine Berichterstattung über die Proteste im Tagebau dadurch verhindern lässt, dass RWE die Medien an der Berichterstattung hindert, lässt sich die energiepolitische Realität dadurch aufhalten, dass man sie beharrlich ignoriert.

Und diese Realität ist eindeutig: Die Nutzung der Braunkohle im geplanten Ausmaß ist weder mit dem Kampf gegen den Klimawandel vereinbar noch mit der Energiewende – die unflexiblen Braunkohlekraftwerke passen nicht in ein System, in dem Wind und Sonne mit ihrer schwankenden Einspeisung eine immer größere Rolle übernehmen.

Je schneller RWE diese Realität akzeptiert, statt sie juristisch und politisch zu bekämpfen, desto besser ist das am Ende auch für das Unternehmen selbst. Ein klarer Ausstiegsfahrplan für die Braunkohle verhindert weitere Fehlinvestitionen und bietet die Möglichkeit, den unvermeidlichen Strukturwandel zu gestalten, statt von ihm überrollt zu werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Mitleid mit RWE ist hier absolut fehl am Platze! Ein Unternehmen, das sich lange Jahre an Atomkraft mit fetten Gewinnen eine goldene Nase verdient hat und sich nun beim Rückbau und der Entsorgung mit Taschenspielertricks aus der Verantwortung wegzuklemmen versucht, zeigt nur die elende Schäbigkeit seiner (fehlenden) Unternehmenskultur. Die Braunkohlepolitik ist eine - nur im Detail modifizierte - Verlängerung dieses Vorgehens.

     

    Als ein Beispiel in Sachen Lernfähigkeit sei den maßgeblichen Entscheidungsträgern von RWE das Studium des Paradigmenwechsels bei Shell nach den Vorgängen um Brent Spar empfohlen.