Kauders Warnschuss
geht nach hinten los

BUNDESTAG Der Unions-Fraktionschef erntet nach seiner Drohung gegen Abweichler Empörung

„Kauder hat sichals Vorsitzender disqualifiziert“

Alexander Funk, CDU

BERLIN taz | Nein, Christian von Stetten ist kein „Stimmvieh“. Der CDU-Abgeordnete und Chef der Mittelstands-Gruppe in der Unionsfraktion, sah sich am Montag genötigt, dies öffentlich zu erklären. Anlass war ein Interview, das von Stettens Fraktionsvorsitzender Volker Kauder der Welt am Sonntag gegeben hatte.

In dem Gespräch ging es um das Abstimmungsverhalten der Unions-Abgeordneten bei der Griechenland-Abstimmung Mitte Juli. Sechzig Parlamentarier hatten die Zustimmung verweigert. Das war ein Affront nicht nur gegenüber der Kanzlerin, sondern auch gegenüber dem Fraktionschef. Der ist schließlich dafür verantwortlich, den Laden zusammenzuhalten und im Zweifel die Abgeordneten von der Fraktionslinie zu überzeugen – notfalls anscheinend auch mit Druck.

Nach den Abweichlern gefragt, hatte Volker Kauder geantwortet: „Diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss. Die Fraktion entsendet die Kollegen in Ausschüsse, damit sie dort die Position der Fraktion vertreten.“ Eine offene Drohung, mindestens aber ein Ordnungsruf an die Abweichler: Wer die Fraktionsdisziplin verweigert, kann seine Parlamentskarriere abhaken.

Jetzt herrscht dicke Luft in der sonst stets auf Harmonie bedachten Union. Eine für die sitzungsfreie Zeit stattliche Anzahl an Abgeordneten wagte es, dem Chef Paroli zu bieten. Neben dem eingangs erwähnten Christian von Stetten bemühte auch der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt den „Stimmvieh“-Vergleich. Der Europapolitiker Detlef Seif sagte der Tagesschau: „Der Ausschluss, die Herabsetzung, die Bestrafung von Fraktionsmitgliedern wirkt kontraproduktiv.“ Und der CDU-Abgeordnete Alexander Funk erklärte gar, Kauder habe sich mit seiner Äußerung als Fraktionsvorsitzender „disqualifiziert“. Offenbar wolle Kauder Bestrafung zum Prinzip machen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion sprang dem so Gescholtenen am Montag zur Seite. Er verstehe die Aufregung nicht, erklärte Michael Grosse-Brömer, schließlich würden die Abgeordneten als Fraktionsmitglied in die Fachausschüsse geschickt. Könne ein Kollege dort nicht die Mehrheitsmeinung der Fraktion vertreten, „sollte er konsequenterweise in einen anderen Fachbereich wechseln“.

Ob Volker Kauders Warnung Wirkung zeitigt, dürfte sich bald erweisen. Einigt sich die griechische Regierung mit den internationalen Geldgebern auf ein drittes Hilfspaket, muss dem auch der Bundestag zustimmen. Eine weitere Nagelprobe für die Unionsfraktion. Anja Maier

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