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Ein Hauch von Meer

TAGESTRIP Nur ein Tag Urlaub, so zwischendurch? Dann empfiehlt sich ein Tag auf der Kieler Förde. Mit dem Schiff. Von Kiel nach Laboe und zurück. Und zwischendurch aussteigen, natürlich. Kostet nicht viel – und entspannt ganz wunderbar.

Blick vom kleinen auf den großen Pott: Schiffstour auf der Kieler Förde  Foto: Frank Keil

von Frank Keil

Muss ein doofes Alter sein. 14 oder 15. Als Mädchen findet man die Jungs doof und als Junge die Mädchen. Und so umkreist die kleine Gruppe aus Jungs und Mädchen in Badehosen und Bikinis immer wieder unschlüssig das Volleyballnetz, bewirft sich halbherzig mit Sand und pritscht sich den Ball dann doch wieder sehr ernsthaft zu, während hinter ihnen das Wasser in der Sonne glitzert.

Und was machen wir jetzt? Einfach so in den Sand setzen? Einen Strandkorb mieten? Oder erst mal rüber ins Eiscafé? Am Nebentisch die Rheinländer, zwei gemütliche Ehepaare, die sich nicht einigen können, welches Großschiff gleich vorbeiziehen wird: das nach Oslo, das nach Göteborg?

Gut eine Stunde zuvor waren wir in Kiel aufs Schiff gestiegen. Diesmal auf die „Heikendorf“, neben der „Schilksee“, der „Strande“ und der „Laboe“, eines von vier Fährschiffen der Fördefährlinie F1. Jeweils etwas mehr als 30 Meter lang, zwei-vierzig Tiefgang, im Sommer für 300 Fahrgäste zugelassen. Öffentlicher Nahverkehr auf dem Wasser, das einfache Ticket kostet 3,10 Euro, die Tageskarte zehn. Plus einen Euro Bordzuschlag, weil man ja an Bord geht.

Und gleich der Geruch von Schiffsdiesel, wenn man über die klapprige Holzbrücke aufs Schiff geht, und selbstverständlich turnt der Kartenabreißer, der auch die Taue löst, halb draußen am Schiff herum, während neben ihm die Schiffsschraube das Wasser aufwirbelt, als ginge es auf wilde Fahrt. Und selbstverständlich geht man hoch, folgt den engen Treppen rauf aufs Deck.

Im Sommer fahren die kleinen Schiffe achtmal täglich, los geht es um 8.40 Uhr; letzte Fahrt ist um 18.45 Uhr. Ist man erst mal auf dem Schiff, weitet sich die Förde. Wird breit, und das Wasser gemächlich, mehr als nur ein Hauch von Meer. Tanker, Frachtschiffe stehen vor uns Schlange und warten auf die Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal. Wir aber fahren ungebremst auf das Fördeostufer zu. Und es weht ein leichter Wind und die Wolken bauschen sich wie im Werbeprospekt. Hat was von großer Fahrt.

Seit insgesamt 125 Jahren gibt es nun die Fördeschifffahrt. Erst aufgeteilt auf mehrere Reedereien, von denen 1996 eine übrig blieb. Erst schwarz die Dampfer, dann weiß, dann blau, heute schwarzer Rumpf, weißer Aufbau. Und rüber geht‘s nach Mönkeberg, nach Heikendorf, wo die U-Bootfahrer sich eine düster wirkende Gedenkstätte errichtet haben. Dann wenden, zurück ans Westufer, nach Friedrichsort, ein recht wohlhabender Kieler Stadtteil, mit den Überresten der einstigen Festung, aber auch einer neuen Werft, die sich auf Wohnschiffe spezialisiert hat.

Das Falkensteiner Ufer wird angesteuert mit seinem langgezogenen Badestrand, der etwas von Dünen hat und wo die meisten Familien nun vom Boot gehen. Schon geht es wieder zurück gen Osten, das Schiff nimmt nochmal richtig Fahrt auf, legt sich fast schräg und nähert sich in einem flotten Bogen Laboe.

Wer nicht an Land mag, kann auf dem Schiff bleiben und rüberfahren nach Schilksee, nach Strande. Dauert noch mal eine dreiviertel Stunde, ist auch schön. Uns aber zieht es in den Ort, erst die Hafenstraße, dann die Strandstraße entlang. Mit Konzertmuschel, Kurpark Meerwasserschwimmhalle, am sogenannten Marine-Ehrenmal vorbei bis zur meeresbiologischen Station.

Gut 5.000 Einwohner zählt Laboe, das sich offiziell Ostseebad nennt und das Teil des „Erlebnisraums Förde“ ist. „Ein reges Vereinsleben ermöglicht ein stimmiges soziales Umfeld“, heißt es auf der Homepage der Gemeinde. Freiwillige Feuerwehr seit 1880, Turnverein seit 1900, Regattaverein von 1910, der auch dieses Jahr den Trudelmaus-Pokal ausgetragen hat; Chorgemeinschaft seit 1926, als auch der Verein für Rasensport gegründet wurde. Und seit letztem Jahr ist auch die Flüchtlingshilfe tätig und trifft sich dazu regelmäßig.

Man überquert bloß die Förde, aber es fühlt sich an wie auf großer Fahrt

Die Laboer müssen überhaupt ein ganz eigenes Völkchen sein: Bei der letzten Kommunalwahl 2013 gingen gerade mal knapp 52 Prozent zur Wahl – und wählten mit 35,6 Prozent mehrheitlich die Grünen, als die zum ersten Mal antraten. Sonst noch dabei: die Laboer Wählergemeinschaft von 1961, mit fast 19 Prozent.

Und es gibt eben einen wunderbar langen Sandstrand. Drumherum kleine, unspektakuläre Restaurants, dazu Buden und Büdchen und auch der obligate Buchladen fehlt nicht, in dem nicht zuletzt die Fördekrimis ausliegen. Und Ferienwohnungen gibt es links und rechts des Weges und Ferienhäuser und Ferienappartments, und sie heißen „Haus Seewind“ und „Auszeit“ und „Fördeblick“ natürlich; aber auch „Seehens-wert“ und - musste wohl sein - „Oceanview“.

Sollen wir wieder? So langsam? Dauert noch ziemlich genau eine halbe Stunde, bis einen das Schiff abholt, mitnimmt (wieder die „Heikendorf“, so schnell ist man vertraut!), die Zeit kann man gut im Hafen verbringen, auf einer der Bänke, geschützt hinter der Mauer aus Feldsteinen, die sich aufgewärmt haben in der Sonne.

Und die Möwen kreischen über einem und lassen sich nieder, gucken, fliegen wieder weg. Nebenan zwei ältere, schweigsame Damen, bis die eine plötzlich sagt: „Wenn ich hier alleine wäre, wär‘s mir zu langweilig.“ Brummelt die andere: „Kommt ganz drauf an.“ Dann schweigen sie wieder, lange. Dann steht erst die eine auf und geht, dann steht die andere auf und folgt ihr, und nun sind es noch 20 Minuten. Herrlich.

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