Kommentar von Pascal Beucker zum Generalbundesanwalt Range: Inszenierung als Märtyrer
Es ist ein frecher Abgang. Wer geglaubt hat, Harald Range würde mit einem schnöden Rücktritt seine üppige Beamtenpension riskieren, sieht sich getäuscht. Der Generalbundesanwalt organisiert sich lieber seinen Rausschmiss – als vermeintlicher Märtyrer im Kampf für die Unabhängigkeit der Justiz. Sein dreister Auftritt am Dienstagmorgen in Karlsruhe war eine Kampfansage. Justizminister Heiko Maas blieb nichts anderes übrig, als Bundespräsident Gauck um die Versetzung Ranges in den einstweiligen Ruhestand zu ersuchen.
So absurd die Vorstellung ist, die Betreiber des Internetblogs Netzpolitik.org hätten ein „Staatsgeheimnis“ veröffentlicht und „Landesverrat“ begangen, so eigentümlich interpretiert Range seine Funktion. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen sei Aufgabe der Justiz, hat er bei seinem kurzen Statement gesagt. Das ist wahr. Allerdings hat der oberste deutsche Strafverfolger unerwähnt gelassen, dass für ihn eine statusrechtliche Besonderheit gilt: Der Generalbundesanwalt ist eben nicht unabhängig, sondern ein politischer Beamter. Schon seine Auswahl erfolgt nicht allein nach fachlichen Kriterien: Ohne sein FDP-Parteibuch wäre Range 2011 niemals Generalbundesanwalt geworden. Schließlich amtierte damals noch eine FDP-Justizministerin.
Wie heikel es ist, unter Berufung auf den Landesverratsparagrafen gegen Journalisten vorzugehen, weiß seit der Spiegel-Affäre jede Bundesregierung. Das zu berücksichtigen gehört zur Stellenbeschreibung des Generalbundesanwalts. Hätte Range seinen Handlungsspielraum richtig genutzt, hätte er den Begehrlichkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht nachgegeben. In der NSA-Affäre hat er jedenfalls weniger Eifer gezeigt.
Ranges Tage als Generalbundesanwalt waren zum Glück gezählt. Doch das eigentliche Problem hat Justizminister Maas damit nicht gelöst: Es ist höchste Zeit, dass der anachronistische Landesverratsparagraf gestrichen wird. Ebenso sollte der völlig schwammige Begriff des „Staatsgeheimnisses“ aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Denn ob und wann die im Strafgesetzbuch dafür aufgeführten Kriterien erfüllt sind, ist stets interpretierungsbedürftig, also letztlich Ansichtssache – und damit ein Einfallstor für Willkür. Der Fall Netzpolitik.org liefert dafür ein anschauliches Beispiel.
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