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Erfolg vor Gericht: Rocker dürfen wieder Kutten tragen

Urteil Bundesgerichtshof entschied zugunsten von Mitgliedern des Motorradclubs Bandidos

Was für „Bandidos Germany“ gilt, ließ der BGH offen

KARLSRUHE taz | Das Tragen von Kutten der Rockergruppen Bandidos und Hells Angels ist nicht generell strafbar. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil.

Die Polizei in vielen Bundesländern versuchte die öffentliche Sichtbarkeit von Rockergruppen zurückzudrängen, indem sie das Tragen von Jacken mit den entsprechenden Em­blemen zur Anzeige brachte. „Wir dulden keine Provokationen, die die Menschen einschüchtern“, sagte etwa NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Als Rechtsgrundlage diente das Vereinsgesetz, das die öffentliche Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine mit Geldstrafe oder Haft bedroht.

Allerdings sind die Rockergruppen in Deutschland nicht generell verboten. So wurden bisher von rund 70 selbständigen Bandidos-Chaptern nur zwei – in Aachen und Neumünster – von den jeweiligen Landesinnenministern aufgelöst. Im August 2014 gingen deshalb die beiden Bandidos Jürgen R. und Jaroslaw R. aus Unna und Bochum in voller Montur aufs Bochumer Polizeipräsidium. Sie wollten einen Musterrechtsstreit auslösen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte Geldstrafen von je 600 Euro, doch das Landgericht Bochum sprach die Männer im letzten Oktober frei, denn ihre Bandidos-Chapter seien nicht verboten. Die deutschen Gerichte urteilten aber uneinheitlich. So billigte etwa das Oberlandesgericht Hamburg im April 2014 die Verurteilung eines Kuttenträgers, der einem nicht verbotenen Hells-Angels-Charter angehört.

Der BGH bestätigte nun das Bochumer Urteil. Wenn auf der Kutte „Bandidos Unna“ oder „Bandidos Bochum“ steht, dann werde kein Kennzeichen der verbotenen „Bandidos Aachen“ verwendet. „Wir haben das Gesetz grundrechtsfreundlich ausgelegt“, sagte der Vorsitzende Richter Jörg-Peter Becker. Was für den von manchen Rockern benutzten Schriftzug „Bandidos Germany“ gilt, ließ der BGH offen.

Auf Betreiben des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD) war 2002 zwar eine Vorschrift ins Vereinsgesetz eingefügt worden, die das Tragen verbotener Kennzeichen auch anderen Vereinen mit gleicher „Zielsetzung“ verbot. Der Bundestag hatte damals allerdings nur ein Verbot und keine entsprechende Strafvorschrift eingebaut. „Da hat der Gesetzgeber wohl den Überblick verloren“, meinte Richter Becker.

Theoretisch könnte die Polizei Kutten mit Hilfe dieser Verbotsnorm immerhin beschlagnahmen. Voraussetzung wäre allerdings, dass bei den nicht verbotenen Chaptern eine gleiche kriminelle Zielrichtung festgestellt wird. Der BGH ließ dies offen, weil es keine strafrechtliche Frage ist. Andere Gerichte hatten bisher aber überwiegend entschieden, dass die Polizei nicht einfach allen Rockergruppen eine kriminelle Zielrichtung unterstellen darf.

Bandidos-Anwalt Reinhard Peters erklärte nach dem Urteil. „Jetzt können die Kutten wieder angezogen werden.“

(Az.: 3 StR 33/15)

Christian Rath

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