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Der letzte Zeuge

BUNDESTAG SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagt im Edathy-Untersuchungs-ausschuss aus. Zentrale Fragen bleiben nach dem Ende der Beweisaufnahme offen

TazText SemiBold 8,6 Punkt groß Bildunterschriftt Foto: Rainer Jensen/dpa

AUS BERLIN Tobias Schulze

Thomas Oppermann bleibt dabei: In der Causa Edathy habe er keine Strafvereitelung begangen. „Ich habe Sebastian Edathy zu keinem Zeitpunkt vor möglichen Ermittlungen gewarnt“, sagte der SPD-Fraktionschef am Mittwoch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags. Dazu angestiftet habe er auch niemandem. Schon gar nicht, wie von der Mehrheit des Ausschusses vermutet, seinen Fraktionskollegen Michael Hartmann. Damit steckt das Gremium in der Sackgasse. Als letzten von insgesamt rund 60 Zeugen hatte der Untersuchungsausschuss Oppermann befragt – zum zweiten Mal innerhalb von vierzehn Tagen. Zumindest bis zum späten Nachmittag schaffte seine Aussage allerdings keine Klarheit: Eine Reihe offener Fragen ließ Oppermann unbeantwortet. Vorwürfe gegen ihn selbst und die SPD-Spitze bestätigte er gleichzeitig nicht.

Wenn die Mitglieder des Ausschusses in den nächsten Monaten ihren Untersuchungsbericht verfassen, können sie daher nur ein definitives Ergebnis aufführen: Als die Staatsanwaltschaft Anfang 2014 Kinderporno-Ermittlungen gegen Edathy aufnahm, war dieser bereits gewarnt. Nicht nur Edathy selbst behauptet das, sondern auch Ermittler, die seine Wohnung durchsuchten, bestätigen das. Sie fanden dort Reste zerstörter Computerteile und Berge herausgerissener Akten. Ganz so, als habe der ehemalige SPD-Abgeordnete zuvor Beweismittel vernichtet.

Fast sicher sind sich die Ausschussmitglieder in einem zweiten Punkt: Dass die Warnung vom SPD-Abgeordneten Hartmann kam. Hauptbelastungszeuge ist ein ehemals enger Vertrauter Edathys. Er sagte aus, Hartmann habe auch ihn über die drohenden Ermittlungen informiert. Dass der Zeuge die Wahrheit sagt, bezweifelt bis auf die SPD-Fraktion niemand.

Offen ist, woher Hartmann selbst seine Infos hatte. Einiges deutet darauf hin, dass er sie aus der SPD-Spitze erhielt. Die wusste Bescheid, weil der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel während der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2013 einen Wink gab. Damit wollte er verhindern, dass mit Edathy ein mutmaßlicher pädophiler Straftäter einen Job in der neuen Regierung bekommt.

Reste zerstörter Computerteile und Berge herausgeris­sener Akten

Monatelang ging der Ausschuss dieser Spur nach, hielt sich immer wieder über Stunden an den kleinsten Details auf und kam häufig doch keinen Schritt weiter. Mitte Juni zum Beispiel scheiterte er in einer 13-Stunden-Sitzung daran, den genauen Zeitpunkt eines Gesprächs zwischen Oppermann und dem ehemaligen BKA-Chef Jörg Ziercke zu rekonstruieren. Oppermanns Aussage dazu widersprach einem minutengenauen Anrufprotokoll des Bundeskriminalamts. Die Auflösung folgte diese Woche durch ein schriftliches Statement aus dem BKA: Als ein Beamter den Zeitpunkt vom Telefondisplay abgelesen hatte, verwechselte er Sommer- und Winterzeit.

Andere Ungereimtheiten konnten am Mittwoch aber weder Oppermann noch das BKA erklären. So hatten Zeugen berichtet, dass innerhalb der SPD-Fraktion schon früh Gerüchte herumgingen, Edathy habe rechtliche Probleme. Woher die Abgeordneten das wussten, konnte Oppermann nicht beantworten. Er, der Fraktionschef, habe von den Gerüchten nicht mal etwas mitbekommen.

Plausibel ist das vielleicht nicht. Das Gegenteil konnte der Ausschuss am Mittwoch aber auch nicht beweisen. Nach zehn Monaten endet die Beweisaufnahme also – ohne klare Antworten.

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