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Klingt nicht schlecht

Theater Die Spielzeit 2015 des von der Insolvenz bedrohten Atze Musiktheaters ist wohl gesichert. Für 2016 aber müssen weitere Finanzierungskonzepte her

von Rolf Lautenschläger

Die Zukunft des Atze Musiktheaters für Kinder und Jugendliche ist für die Spielzeit 2015 wohl gesichert. In der Schwebe bleibt aber nach wie vor, wie die Bühne dauerhaft finanziell abgesichert werden kann. Nach „sehr konstruktiven Gesprächen“ zwischen der Theaterleitung und der Kulturverwaltung in der letzten Woche „ist eine drohende Insolvenz 2015 des Atze Musiktheaters abgewendet worden“, sagte Theaterleiter Thomas Sutter der taz. Für die Spielzeiten 2016/17 müsse aber vom Land Berlin alles getan werden, „damit wir langfristig überleben können“.

Einer Lösung näher

Sutter sprach davon, dass eine Verdoppelung der bisherigen Fördermittel des Landes Berlin um rund 700.000 Euro jährlich auf knapp 1,4 Millionen nötig wäre.

Günter Kolodzeij, Sprecher der Kulturverwaltung, bestätigte das Treffen. „Es ist richtig, wir nähern uns einer Lösung für das Jahr 2015 an, um den Liquiditätsengpass zu beseitigen.“ Danach soll das Atze eine bestehende Lücke von 67.000 Euro aktuell durch Rückstellungen finanzieren, die das Land Berlin ausgleicht.

Zu den Wünschen des Theaters, auch 2016 mehr Mittel zu erhalten, wollte sich Kolodzeij nicht äußern. Das müsste in weiteren Gesprächen geklärt werden, sagte er.

Hintergrund für das Treffen war, dass das Theater Alarm schlug, weil es fürchtete, ab der kommenden Spielzeit 2015/16 den regulären Spielbetrieb einstellen zu müssen. Ursache sei zum einen, dass das Haus seit mehreren Jahren nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet sei, wie Sutter sagte.

„Dazu kommt ein aktuelles Gerichtsurteil, das uns zwingt, ab der nächsten Spielzeit alle unsere Schauspieler sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen.“ Angefallen für das laufende Jahr seien bereits jene 67.000 Euro als Nachzahlungen, die an die Versicherungen geleistet werden müssten.

Sollte das Urteil einmal rechtskräftig werden, gibt es Berechnungen, dass auf die Bühne, an der insgesamt 120 Künstler, Musiker, Autoren, Bühnenarbeiter et cetera an Produktionen pro Jahr mitarbeiten, Mehrkosten im Personalbereich von zirka 240.000 Euro jährlich zukommen könnten. Das stemmt ein Atze nicht, sagen Kulturexperten.

Was richtig ist: „Die Fördermittel reichen längst nicht mehr aus“, wie Atze-Sprecher Tom Müller-Heuser betont. Die Theaterleute arbeiteten zum Teil unterbezahlt und am Limit. Zusätzliche soziale Leistungen – neben den für dauerhaft Beschäftigte – für alle frei arbeitenden Atze-Künstler würden den Etat sprengen. In der Konsequenz müsste das Atze dichtmachen oder den Künstlern Hungerlöhne bezahlen, um nicht in die Insolvenz gehen zu müssen.

Das Grips Theater erhält eine Förderung vom Land Berlin von 2,8 Millionen Euro pro Jahr, das Parkaue-Theater5,5 Millionen

Das Atze Musiktheater im Berliner Bezirk Wedding ist bundesweit das größte Musiktheater für Kinder und Jugendliche. Jährlich besuchen rund 100.000 Zuschauer die Aufführungen in dem 480 Plätze fassenden Saal und in der Studiobühne. Im Vergleich zu den aktuell 690.000 Euro Subventionen für die Musiktheaterprojekte erhält das Grips Theater eine Förderung vom Land Berlin von 2,8 Millionen Euro pro Jahr, das Parkaue-Theater 5,5 Millionen.

Thomas Sutter fordert daher, dass neben den Gesprächen über einen sicheren finanziellen Rahmen für die Bühne und ihre Mitarbeiter in 2016 und 2017 „das Haus eine dauerhafte institutionelle Förderung erhält“.

Sollte das bundesweite Urteil einmal rechtskräftig werden, hätte dies auch Auswirkungen für andere Berliner Bühnen der freien Szene und für deren freie Mitarbeiter. Würde es konsequent umgesetzt, wäre für viele Einrichtungen die Existenz gefährdet.

Die Kulturverwaltung und Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, plädieren darum dafür, dass der Gesetzgeber eine Regelung auf den Weg bringen sollte, um diese Frage im Sinne der kleinen Theater und freien Gruppen zu lösen. Lange: „Im Grunde müsste das Gesetz in Bezug auf Selbstständige und sogenannte Scheinselbstständige überarbeitet werden. Ich glaube, da müssen wir uns an den Bund wenden.“

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