Tennisprofi Angelique Kerber: Meisterin des Zermürbens

Nach dem Turniersieg in Birmingham zählt Angelique Kerber in Wimbledon zum Favoritenkreis. Die Gegnerinnen verzweifeln an ihrem Laufvermögen.

Die Beine von Angelique Kerber auf einem Rasenplatz

Ausdauerwunder Kerber: Diese Beine sollen sie zum Titel tragen. Foto: reuters

LONDON taz | Am vorletzten Wochenende kreuzten sich im Gerry Weber Sportpark Hotel schon mal die Wege von Angelique Kerber und Roger Federer. Der Schweizer Superstar absolvierte seine ersten Trockenübungen auf dem Rasen, die deutsche Nummer eins bereitete sich auf einen entspannten Schaukampf am Rande des ATP-Turniers im ostwestfälischen Halle vor. Kurz sahen sich die beiden Tennis-Profis, Federer wünschte später der Kollegin in einem Pressegespräch alles Gute und viel Erfolg für die anstehenden Aufgaben. Sieben Tage später konnten sich der elegante Maestro und die zähe deutsche Fighterin tatsächlich als Titelgewinner grüßen.

Er mal wieder in seinem grünen Tennis-Paradies in Ostwestfalen, zum achten Mal in dreizehn Anläufen. Und sie, die Frau mit dem ganz langen Atem, in Birmingham erstmals in ihrer Karriere auf einem Rasencourt. „Das ist der reine Wahnsinn“, sagte Kerber anderntags, nun auch endgültig zu einer der Mitfavoritinnen für die bevorstehenden Grand-Slam-Festlichkeiten in Wimbledon aufgestiegen.

Die treuesten Fans der Kielerin in den sozialen Netzwerken träumten bereits von einem Siegertänzchen der Champions Federer und Kerber in London, als Krönung der Rasensaison 2015: „Nichts ist unmöglich“, hieß es bei Twitter. Oder auch: „Angie erobert Wimbledon und feiert mit King Roger.“ Bei den Buchmachern rangierte Kerber derweil unter den Top Ten, mit einer Quote von 25:1.

Keine Frage: Der unermüdlichen Deutschen, diesem Ausdauerwunder auf zwei Beinen, ist auch auf den perfekt manikürten Rasenflächen an der berühmten Church Road alles zuzutrauen. Es gibt zwei Top-Favoritinnen im Frauenfeld, die eine ist die Amerikanerin Serena Williams, Nummer 1 der Welt und bestimmende Kraft der Branche. Und die andere ist Petra Kvitova, die harte tschechische Draufschlägerin und Titelverteidigerin.

Kerber über Wimbledon

Ich will in der zweiten Woche mitmischen, so lange wie möglich dabei sein.

Doch dahinter folgt dann auch schon in einem Feld von ambitionierten Herausforderinnen Kerber – die Meisterin des Konter- und Defensivspiels, die sich im Endspiel von Birmingham nicht mal durch satte 51 direkte Gewinnschläge ihrer tschechischen Gegnerin Karolina Pliskova aus der Ruhe und der Siegesgewissheit bringen ließ.

Kerber ist auch eine Meisterin darin, die Spielerin auf der anderen Seite des Netzes zu zermürben und zur Verzweiflung zu bringen, mit dem wer weiß wie vielten Ball, den sie noch aus einer Ecke des Feldes hervorzaubert. „Ich hatte das Gefühl, dass sie überall ist. Sie hat so schnelle Beine, deckt das Feld herausragend ab“, sagte Pliskova, eine der großen Perspektivspielerinnen des Frauentennis.

Schwache Grand-Slam-Bilanz 2015

Keine andere Spielerin neben Serena Williams hat in dieser Saison mehr wichtige Titel eingeheimst als Kerber. Sie gewann die Topturniere in Charleston und Stuttgart im Frühling und nun auch den hochkarätigsten Vorbereitungswettbewerb auf Wimbledon – in Birmingham. Die sehr gute Saison der Weltranglisten-Zehnte wäre sogar großartig, wenn da nicht die Grand-Slam-Turniere als unübersehbare Schönheitsfehler die Statistik eintrübten – in Melbourne schied die 27-Jährige in Runde 1 gegen die Rumänin Begu aus, in Paris erwischte sie es ebenfalls in der ersten Woche und in der dritten Runde gegen die Spanierin Muguruza.

„Das muss sich in Wimbledon ändern“, sagt Kerber, „ich will in der zweiten Woche mitmischen, so lange wie möglich dabei sein.“ Immerhin stand sie schon im Halbfinale auf der größten Tennisbühne der Welt, 2012 war das. Im Viertelfinale hatte sie die Rasenspezialistin Sabine Lisicki bezwungen, schied in der Runde der letzten vier gegen ihre polnische Freundin Agnieszka Radwanska aus.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir ein starkes Turnier von Angie erleben werden“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, am Sonntag Finalgast im ostwestfälischen Halle. In „klasse Form“ sei Kerber, findet auch Trainer Torben Beltz, der im März wieder das Regiment bei der deutschen Spitzenspielerin übernommen hatte.

Das Duo gönnte sich am Sonntagabend erst mal eine Riesenpizza und ein Schlückchen Wein auf die Erfolgsmission von Birmingham: „Angie hatte am Anfang der Saison den Glauben an sich verloren, zweifelte und grübelte“, sagt Beltz, „sie musste sich mühsam wieder aufrappeln. Aber jetzt ist sie wieder voll in der Spur.“ Und somit auch eine, die es zu schlagen gilt in Wimbledon.

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