Doku über den NSU: Ersatzfamilie Neonazis
Die Doku „NSU privat“ beleuchtet das Privatleben des Trios. Sie zeigt aber auch Verstrickungen des Nazimilieus in sexuelle Gewaltverbrechen.
Beate Zschäpe schweigt. Während des gesamten NSU-Prozesses hat sie noch keine Aussage zu den Tatvorwürfen gemacht. Umso schwieriger ist es für das Gericht, aber vor allem auch für die Familien der Opfer, die genauen Motive und Hintergründe der Taten aufzuklären. ZDFinfo begab sich nun auf die Spurensuche. Mit der Dokumentation „NSU privat. Innenansichten einer Terrorzelle“ gewähren die Autoren einen intimen Einblick in die Psyche und das Leben des NSU-Trios, insbesondere von Beate Zschäpe.
Es ist bereits die zweite Doku, die das Duo Rainer Fromm und Udo Frank über rechtsextremen Terror gedreht haben. Die Vorgänger-Doku widmete sich der Frage nach dem Mitwissen des Staates über den „braunen Terror“.
Und nun also die Inneneinsicht in die Terrorzelle. Dafür haben sie unterschiedliche Stimmen vereint, die an der Aufklärung des Falls beteiligt sind. Von Opferanwälten, Mitgliedern des NSU-Ausschusses bis hin zu zahlreichen wissenschaftlichen Experten wie Neurobiologen, Psychiatern oder Kriminologen. Aber auch ehemalige Weggefährten und Bekannte kommen zu Wort.
Die Stimmenpluralität ist eine Annäherung aus unterschiedlichen Perspektiven an ein Trio, das jahrelang unbehelligt morden konnte – auch weil viele wegschauten – und nebenbei ein kleinbürgerliches Leben in einer Wohngemeinschaft führte. Die Doku arbeitet dabei mit neuen Quellen wie dem Videomaterial, das aus der ausgebrannten Wohnung in Zwickau sichergestellt werden konnte.
Zschäpes Biographie
Das Trio hatte als Vorsichtsmaßnahme vier Videokameras installiert. Sie zeigen eine kommunikationsfreudige Zschäpe, eine „fürsorgliche Mutter“ – so eine These des Films –, die sich um die Wäsche und den Haushalt kümmerte. Damit schuf sie einen unauffälligen Alltag, der auch zur Tarnung gegenüber der Nachbarschaft diente. Eine Filmsequenz zeigt die beiden Uwes beim unbeschwerten Nüssesammeln vor dem Haus.
„Was uns so irritiert hat, ist, dass sie sich so sicher gefühlt haben“, sagt Clemens Binninger, Mitglied des NSU-Bundestagsausschusses. In einer anderen Aufnahme sieht man, wie die Gäste des Trios die Schuhe ausziehen müssen. Ordnung muss sein, auch beim NSU.
Die Doku skizziert den biografischen Nährboden Zschäpes, aus dem der ideologische Nazi-Terrorismus erwuchs. Ihr rumänischer Vater wollte nichts von ihr wissen, sie wuchs bei ihrer Oma auf, zu ihrer Mutter hatte sie ein konfliktgeladenes Verhältnis, Frustration und Perspektivlosigkeit prägten ihre Kindheit.
Pädophilie und Nazimileu
Eine Ersatzfamilie fand sie schließlich in den zahlreichen und bestens vernetzten rechtsextremen Gruppierungen wie dem Thüringer Heimatschutz oder „Blood & Honour“. Und natürlich in Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, an deren Seite sie sich letztlich politisierte und radikalisierte. Innerhalb dieser Dreierbeziehung sollte Zschäpe eine Schlüsselposition einnehmen. Sie soll zur „Seele des Mördertrios“ geworden sein.
Die Doku beleuchtet einen weiteren wichtigen und bislang eher unbekannten Aspekt: die Verstrickung des Nazimilieus in Pädophilie und sexuelle Gewaltverbrechen. Zahlreichen Kontaktpersonen des Trios können solche Straftaten nachgewiesen werden. Bei Beate Zschäpe fanden Ermittler zudem Hinweise auf kinderpornographische Dateien auf ihrem Rechner.
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