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Angriffe auf PolizistenSchwarz-Grün fordert Knast

Die Koalition in Hessen will Polizeibeamte besser schützen. Könnte das hohe Strafmaß davon abhalten, überhaupt auf Demonstrationen zu gehen?

Sechs Monate Haft für einen Eiwurf? Foto: dpa

WIESBADEN taz | Geht es nach der hessischen Landesregierung, sollen Angriffe auf Polizisten und andere Einsatzkräfte härter bestraft werden. Einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschiedete der hessische Landtag am Mittwoch mit Stimmen der schwarz-grünen Koalition. FDP und Linksfraktion kritisierten das hohe Strafmaß – gegebenenfalls reiche künftig ein Eiwurf für die Mindeststrafe von sechs Monaten Haft.

Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der hessischen Grünen-Fraktion, rechtfertigte jedoch den Vorstoß. Angesichts der Zunahme der Gewalt gegen Einsatzkräfte wolle man klarstellen: Wer Einsatzkräfte angreife, begebe sich „im besonderen Maße ins Unrecht“.

Nicht zuletzt nach den „Gewaltexzessen“ bei den Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt sei dies notwendig. Polizisten schützten schließlich die Grundrechte. Auch Innenminister Peter Beuth (CDU) unterstrich die Wichtigkeit der Strafverschärfung. Er bezeichnete auch Eierwürfe als „gezielte Herabsetzungen gegen den Staat“, die nicht akzeptabel seien. Alleine 2014 seien in Hessen 3.200 Angriffe auf Polizeibeamte registriert worden.

Ziel der hessischen Bundesratsinitiative ist es, das Strafgesetzbuch um einen neuen „Schutzparagraphen 112“ zu erweitern. Dieser stellt tätliche Angriffe auf Beamte des Polizeidienstes sowie Helfer von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienste unter eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden.

Kritik von FDP, Linksfraktion und auch von Grünen

Die FDP-Fraktion im hessischen Landtag kritisierte das von der Landesregierung vorgesehene Strafmaß als unverhältnismäßig: „Egal was es für eine Tat war, es gibt eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten Gefängnis und keine Alternative wie eine Geldstrafe“, sagte Wolfgang Greilich, Fraktionschef der Liberalen. Ulrich Wilken von der Linksfraktion zeigte sich schockiert. Mit dieser Neuregelung könnte auch schon eine kleine Rempelei im Gedränge einer Demo als tätlicher Angriff bestraft werden. Das wiederum könnte die Menschen abschrecken, überhaupt noch auf Demonstrationen zu gehen.

Selbst grüne Fachleute im Bundestag halten wenig von dem Vorstoß ihrer Parteifreunde aus Hessen: „Der sogenannte Schutzparagraph schützt keinen einzigen Beamten vor einem Angriff und ist somit eine reine Schaufenstermaßnahme“, sagte die Ex-Polizistin und grüne Innenexpertin Irene Mihalic der taz. Die grüne Bundestagsfraktion sehe daher „keinen Regelungsbedarf“. Stattdessen müsse man sich „die Einsatzbedingungen genau anschauen und bewerten, ob Ausstattung und Personalstärke vor Ort jeweils angemessen sind“.

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23 Kommentare

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  • Ich glaube, Sie kennen die hessische Polizei nicht. Die sind korrupt und brutal genug, solche Gesetze sind ein Freibrief für Polizeiwillkür, wie Sie z.B. in Frankfurt ziemlich alltäglich ist.

    • @solde:

      antwort auf @Anomalie von 18:30.

      Ach ja, und natürlich ist sie, die Polizeiwillkür in Frankfurt alltäglich, nicht Sie, Anomalie!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Prost Mahlzeit!

     

    Dass sich die hessischen Grünen aus Machterhalt/ Opportunismus zu solchen Handlungen hergeben, zeigt erneut sehr eindrucksvoll, was Macht mit Menschen macht, die ihr erliegen. Schon früher konnte dies am Beispiel eines Josef Fischer besichtigt werden, der vom einstigen Hausbesetzer über den Friedensbewegten zum Margret Albright Freund mutierte.

     

    Läuterung geht auch anders.

  • Wenn Demonstranten rechtlich auch besser geschützt würden, nichts dagegen. So sind erdachte Konstruktionen von Straftaten an Polizisten gleich viel interessanter und die Teilnahme an der Demo hat damit klar abschreckendere Wirkung auf Menschen, die sowieso gewaltfrei bleiben werden. Auf Gewaltbereite hat die Verschärfung null Wirkung und damit meine ich keinesfalls Eierwerfer und Sitzblockierer.

    • @lions:

      Ja, wo die Grünen mitregieren, sehen sie Demonstrationen plötzlich nicht mehr so gern. War in Ba-Wü auch so, als Kretschmann gleich nach der Wahl verkündete, Demonstrationen gegen S21 seien ab jetzt überflüssig.

  • angriffe au f..............die sind schon zu viel geschchütz..........die ehrliche mensch es wird kein priester und kein polizist.....(Mickail Bakunin) Mario Pellerey

  • Machen wir es doch ganz einfach. Alle die "Kritiker" hier, zu denen auch die TAZ selbst gehört, haben einfach keinen Anspruch mehr auf Hilfe der Polizei. Ganz einfach.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rasenmäher Botha:

      Warum nur geht es mir beim Lesen Ihrer meisten Kommentare so, dass ich fortwährend an den 'Ärzte'-Song: "Schrei nach Liebe" denken muss?

       

      Kennen Sie Oscar Wilde? Dieser bemerkenswerte Mensch hat einmal gesagt: "Nicht das Vollkommene, das Unvollkommene bedarf der Liebe."

       

      Und er hat so Recht, wie ich Tag für Tag an Anderen und mir selbst, einem Unvollkommenen, feststelle.

    • @Rasenmäher Botha:

      Ach, Kritik unerwünscht ? Das mag wohl innerhalb totalärer Kreise gelten.

  • Aus juristischer Perspektive ist der Gesetzesentwurf, der leider - oder vielleicht: bezeichnender Weise - auch von den Grünen mitgetragen wird, ein absoluter Irrweg, nicht verhältnismäßig und überflüssig. Durch § 113 StGB sollten Bürgerinnen und Bürger in Konfliktsituationen mit der Polizei im Vergleich zu § 240 (Nötigung) bessergestellt werden. Durch Anhebung des Strafrahmens wurde diese Besserstellung de facto schon aufgehoben. Durch den neuen Schwachsinnsparagrafen wird die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers ad absurdum geführt. Zudem wird den PolizistInnen noch mehr als jetzt die Definitionsmacht über Ereignisse und Zwischenfälle zugeschanzt. Sehr lesenswert zu dieser Thematik: Prof. Singelnstein u.a. in: NJW 2011, S. 3473 ff.

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    "Polizisten sind aufgrund ihrer Arbeit allerdings auch deutlich gefährdeter als die Meisten. Das muss sich ausgleichen."

     

    Wird immer wieder behauptet. Stimmt aber nur, solange man nicht die Ursachen der Verletzungen anschaut. Letztens in Frankfurt waren 90 von 100 Verletzten von den eigenen Kollegen mit Gas und Pfefferspray traktiert worden. Und im Allgemeinen sind es vor allem Verfolgungsjagden, die sie sich illegalerweise mit Verdächtigen liefern und dabei nicht nur sich, sondern auch Unbeteiligte gefährden.

  • Polizist_innen sind ohnehin schon besser gegen tätliche Angriffe geschützt als jede_r andere - einmal durch besondere rechtliche und technische Möglichkeiten der Gewaltanwendung, zum anderen durch einen gewissen Vertrauensbonus vor Gericht. Warum sollten sie also zusätzlich durch einen Sonderparagrafen besser geschützt werden als andere Menschen?

     

    Logisch begründbar ist das nur, wenn man nicht den Polizisten oder die Polizistin als Person, sondern die Polizei als ausführendes Organ des Staates zum Schutzzweck erklärt. Das aber ist eine zutiefst reaktionäre Argumentation.

     

    Mit den Grünen also einen Schritt Richtung Polizeistaat? Traurig.

    • @Earendil:

      Polizisten sind aufgrund ihrer Arbeit allerdings auch deutlich gefährdeter als die Meisten. Das muss sich ausgleichen.

      • @DasNiveau:

        Inwiefern sind Polizisten gefährdeter als Mitarbeiter einer Forensik z.B.?

         

        Wäre mir neu, dass ich jeden geistig behinderten Menschen, der mich mal in Wut angegriffen hat, 6 Monate Knast verordnen dürfte.Dann können sich auch viele für ihre Oma mit Alzheimer demnächst auf Knastbesuche bei ihr freuen.

         

        Es gibt Jobs, bei denen man manchmal ein paar Angriffe einstecken muss. Das weiß man vorher. Dann ist man entweder gewappnet oder unfähig für diesen Job.

        • @Age Krüger:

          Darum "als die Meisten".

           

          Soldaten, Feuerwehr usw.

           

          Aber wollen Sie wirklich Angreifer auf die Polizei mit geistig behinderten Menschen gleichsetzen?

           

          Mich hat mein Zivildienst in diesem Bereich deutlich mehr Respeckt gelehrt.

          • @DasNiveau:

            Und ich habe das über 20 Jahre lang gemacht und ausreichend Leute mit intellektuellen Einschränkungen betreut, die das Recht in Anspruch nahmen mit ihren Aggressionen ebenso ernst genommen zu werden wie Menschen ohne intellektuelle Beeinträchtigungen.

  • Problematisch ist dieser Vorstoss insbesondere wegen der üblichen Reaktion bei Polizeigewalt. Zeigt jemand Polizeigewalt an, erfolgt meist reflexartig die Gegenanzeige. Das Risiko ist dann hoch, dass nicht nur eine Tätlichkeit als Rechtfertigung für die Polizeigewalt erfunden sondern dass diese dann zudem mit einer harten Strafe geahndet wird.

    Es ist richtig, dass Polizist_innen auch vor relativ unbedeutenden Tätlichkeiten geschützt werden - wie Eierwürfen, Rempeleien etc. Hierfür aber Strafen zu verhängen, die ausserhalb jeder Relation stehen, macht keinen Sinn.

    • @Velofisch:

      Ich würde behaupten dass die Polizisten durch ihre Helme, Schutzwesten und sonstige Dienstkleidung hinreichend gegen unbedeutende Tätlichkeiten wie "Eierwerfen" und "Rempeleien" geschützt sind. Falls nicht würde ich empfehlen bei der Dienstkleidung den Anbieter zu wechseln.

       

      Neubau hat den Sinn des Gesetzes gut erfasst. Es geht da ganz offensichtlich nicht um Schutz der Polizisten.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Nein. Polizisten müssen damit rechnen, es gehört zu ihrem Beruf, angegriffen zu werden. Ebenso, wie der mögliche Alltag des Soldaten mit dem Tode enden kann, kann ein Polizist verletzt oder gar getötet werden, wenn er beim Schutz der öffentlichen Ordnung auf jemanden trifft, der diese mit (Waffen-)Gewalt stören möchte.

       

      Hier geht's nicht um den Schutz der Polizeibeamten. Hier geht's um die Abschaffung dessen, was mit "ziviler Ungehorsam" bezeichnet wird. Um die Kriminalisierung von Protest. In bester hessischer Tradition geht's darum, den Rechtsstaat so weit nach rechts zu verschieben, dass er gerade noch so als nicht-faschistisch durchgeht. Roland Kotz, Koch hat es mit "Kinder statt Inder!" und seinen Parolen gegen "Kriminelle Ausländer" ja vorgemacht...

      • @970 (Profil gelöscht):

        Also Kinder statt Inder war Rüttgers, was es aber auch nicht besser macht. Koch war der mit den sogenannten „jüdischen Vermächtnisse“ und der brutalste-möglichen Aufklärung und der jetzt wieder den Reichsarbeitsdienst einführen will. Die Grünen in Hessen scheinen ja inzwischen keine Grenze mehr zu kennen die CDU rechts zu überholen. Anstatt sowas lächerliches wie Eierwürfe zu kriminalisieren, sollte man sich vielleicht mal überlegen, ob die Art und Weise polizeilichen Vorgehens nicht zur Gewalteskalation beiträgt. Wenn Grüne in Hessen davon schwafeln, dass die Polizei Grundrechte schützen würde, dann kann man nur lachen. In erster Linie schützt die Polizei die Interessen der Besitzenden. Das hat aber mit Grundrechten nichts zu tun. Grüne haben da wohl was falsch verstanden.

        • 9G
          970 (Profil gelöscht)
          @Jochen Rohwer:

          Stimmt, Rüttgers war der mit den Indern und den Rumänen. Koch war der mit dem Verständnis für rechtsextreme Straftaten. Macht nichts, beides fragwürdige Gestalten...

  • Wo Grün regiert: Kriegseinsätze und sozialer Kahlschlag (Fischer), Chaos im Bildungssystem, Neoliberalismus und Fremdenfeindlichkeit (Kretschmann) und jetzt Aufbau des Polizeistaates in Hessen. Der real existierende Marsch durch die Institutionen macht seit 20 Jahren Pause an den Fleischtöpfen of da Sistem.