Katalog der Maßnahmen: Gebündeltes Energiesparen

Das "Integrierte Energie- und Klimaprogramm" ist das einzige Vorhaben, das die Regierung für ihre nächste Halbzeit schon genauer ausgehandelt hat.

Mit einem Windrad ist es nicht getan: Der Einzelne ist gefragt. Bild: dpa

Wie viele Vorschriften müssen Politiker Autofahrern, Hausbesitzern oder Unternehmern machen, um die Erderwärmung aufzuhalten? Die letzten Wochen haben sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) darüber gestritten. Kanzlerin Angela Merkel hatte die beiden beauftragt, ein "Integriertes Energie- und Klimaprogramm" zu schreiben. Am Dienstagabend haben sie sich dann doch - nach Absprache mit ihren Kollegen - auf die letzten Formulierungen geeinigt. Das Kabinett will das 55-seitige Papier auf der heute beginnenden Klausur in Meseberg nahe Berlin offiziell verabschieden. Das Klimapaket ist das einzige Vorhaben, das die Regierung für ihre nächste Halbzeit schon genauer ausgehandelt hat. Bislang hat Deutschland vor allem Ökoenergien gefördert. Erstmals werden jetzt auch Maßnahmen zum Energiesparen gebündelt. Was heißt das konkret für wen?

Für Autofahrer: Wer ein Sprit fressendes Auto kauft, muss mehr zahlen. Der Verkehr ist derzeit für 20 Prozent des nationalen Treibhausgasbudgets verantwortlich. Die Kfz-Steuer soll sich für Neuwagen künftig nach dem Kohlendioxid-Ausstoß bemessen. Bei alten Fahrzeugen bleibt aber alles beim Alten, die Steuer orientiert sich nach wie vor vor allem am Hubraum. Die Reform soll zum "nächstmöglichen Zeitpunkt" kommen, voraussichtlich nicht vor 2009. Händler sollen darüber hinaus den CO2-Ausstoß per Etikett ausweisen, verpflichtet werden sie dazu allerdings nicht. In den Tank sollen derweil mehr sogenannte Biokraftstoffe: Ihr Anteil soll bis 2020 auf 20 Prozent wachsen. Die Steuerprivilegien für Dienstwagen bleiben. So wollte es der Wirtschaftsminister - und sein Umweltkollege gab am Dienstag klein bei. Ein Tempolimit, das Umweltschützer immer fordern, findet sich in dem Klimaprogramm nicht.

Für Lkw-Fahrer: Die Lkw-Maut soll stärker nach den Emissionen der Lastwagen gestaffelt werden. Bislang gilt sie nur für Autobahnen, künftig soll sie "stärker" auf Bundesstraßen ausgedehnt werden. Kleinlastwagen werden nicht zum Wegezoll verpflichtet werden. Dieser Vorschlag von Gabriel überlebte die Verhandlungen mit den Ministerkollegen nicht.

Für Hausbesitzer: Aus Wohnungen soll weniger Energie entweichen. Derzeit wird in Gebäuden ein Drittel aller Energie in Deutschland verbraucht. Wer künftig sein Haus von Grund auf sanieren lässt, muss um 30 Prozent strengere Grenzwerte beim Energieverbrauch erreichen. Neubauten müssen den höheren Standard von vornherein einhalten. Konkret: Pro Quadratmeter dürfen jährlich nur noch 90 Kilowattstunden Energie benötigt werden. Wer sich nicht an diese Vorschriften hält, dem könnte ein Bußgeld drohen. Die Bundesregierung will allerdings zunächst nur "prüfen", ob diese Strafe machbar ist. Wie ein Hausbesitzer die klimafreundlichen Vorgaben umsetzt, bleibt ihm selbst überlassen. Er kann Wände dämmen, alte Heizkessel rausreißen oder marode Fenster austauschen. Indes wird er aber zum Heizen mit erneuerbaren Energien verpflichtet: Neu gebaute Häuser sollen künftig 15 Prozent der Wärme etwa aus solarthermischen Anlagen beziehen, sanierte Gebäude 10 Prozent. Die Umrüstung wird gefördert durch das staatliche CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Derzeit stehen für Wohngebäude jährlich 700 Millionen Euro zur Verfügung. Ob aufgestockt wird, ist offen.

Für Mieter: Mieter werden demnächst einen höheren Anteil ihrer Heizkosten nach Maßgabe ihres Verbrauchs zahlen. Das genaue Verhältnis von Verbrauch und Pauschale ist jedoch noch unklar. Umweltminister Gabriel wollte zudem ein Recht für Mieter, die Heizkostenrechnung zu kürzen, falls Eigentümer etwa stromzehrende Nachtspeicheröfen nicht ersetzen. Die Ressorts Wirtschaft und Bau stemmten sich aber dagegen. Darum soll nun nur geprüft werden, "ob bei gravierenden Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ein Kürzungsrecht denkbar wäre".

Für Stromableser: Abschied nehmen sollen die Deutschen von den alten Stromzählern mit der sich permanent drehenden Aluminiumscheibe. Diese sollen möglichst in den nächsten sechs Jahren gegen elektronische Apparate ausgetauscht werden. Während bisher nur einmal im Jahr eine Stromrechnung kommt, wird der Verbrauch künftig für jeden Zeitpunkt genau abgerechnet und kann in einem geschützten Internetbereich verfolgt werden. So ist leichter nachvollziehbar, welche Geräte Stromfresser sind und wie viel sie allein im Stand-by-Betrieb verbrauchen. Außerdem werden Verbraucher animiert, zum Beispiel nachts zu waschen - wenn der Strom billiger ist. Denn künftig soll es spezielle Nachtspartarife geben. So werden Kraftwerke, die 24 Stunden laufen, gleichmäßiger genutzt. Und Strom nicht verschwendet. Zahlen sollen die neuen Zähler die Kunden selbst.

Für den Energieversorger: Energiefirmen sollen mehr Strom aus Windkraft, Photovoltaik und Biomasse gewinnen. Derzeit machen Ökoenergien 13 Prozent an der Stromproduktion aus, 2030 sollen es 25 Prozent sein. Außerdem soll mehr Biogas ins Erdgasnetz eingespeist werden. Und der Anteil von Strom aus klimaschonender Kraft-Wärme-Kopplung soll bis 2020 auf 25 Prozent verdoppelt werden. In den dezentralen Anlagen wird Elektrizität erzeugt. Anders als sonst verpufft die Abwärme, die dabei in Turbinen und Motoren entsteht, aber nicht: Sie wird als Fernwärme genutzt. Das erhöht die Effizienz enorm. Hier hatte sich bis Dienstag der Wirtschaftsminister gesperrt, denn er sieht für diese moderne Technologie nur wenig Potenzial. Am Schluss setzte sich aber Umweltminister Gabriel durch. Die Atomenergie wird in dem Programm übrigens nicht erwähnt.

Im besten Fall sollen all diese klimapolitischen Instrumente als "Klimaschutzbeschleunigungsgesetz" zum 1. Januar 2008 in Kraft treten. Viele bezweifeln allerdings, dass so die Treibhausgasemissionen in Deutschland deutlich gemindert werden können. 70 Verbraucher- und Umweltschutzverbände sowie Hilfsorganisationen und kirchliche Gruppen haben die Bundesregierung gestern aufgerufen, ihr Klimaschutzprogramm gründlich nachzubessern. Das selbst gesteckte Ziel sei sonst nicht zu erreichen. Die Koalition hatte sich schon vor Monaten verpflichtet, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Ohnehin bleibt ein Problem: Viele Maßnahmen des Klimaprogramms sind mit einem Hinweis versehen - "Finanzierungsvorbehalt des Bundesfinanzministeriums".

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