Klausur: Merkel im Zauberschloss

Die Kanzlerin will bei der Kabinettsklausur in Meseberg schon für die nächsten Jahrzehnte planen. Doch ihre Partner in Union und SPD überwachen eifersüchtig jeden Schritt.

Schönes Schloss. Schönes Ergebnis? Bild: dpa

BERLIN taz Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Für die Kanzlerin hieße das: jetzt. Besser als im Moment kann die Lage für Angela Merkel kaum werden. Die Wirtschaft brummt, ihre Union liegt in den Umfragen vorn, Merkel selbst schwebt einsam über allen. 76 Prozent der Deutschen finden sie gut. Kein Regierungschef war je so beliebt wie Merkel heute. Eigentlich ideale Voraussetzungen, um die mühsame Koalition mit der schwächelnden SPD zu kündigen und Wahlen auszurufen. Wer soll sie schlagen? Beck? Doch da endet der Traum auch schon: Es geht nicht. Noch mehr als Merkel lieben die Deutschen: geordnete Verhältnisse. Stabilität.

Die Italiener mögen das lockerer sehen, aber hierzulande wird eine Regierung, die ohne zwingenden Grund aufhört, wie einst Rot-Grün, bestraft. Also muss Merkel weitermachen - und zwar bloß nicht mit ruhiger Hand. Auch da ist Gerhard Schröders Beispiel eine Warnung. Gerade jetzt, zur Halbzeit der Legislatur, gilt es für Merkel, so zu tun, als habe sie noch viel vor. Sehr viel. Diesen Eindruck zu erwecken - das ist der Sinn der Kabinettsklausur in Meseberg. Die Regierung, das wird die Botschaft sein, rauft sich zusammen und nimmt noch einmal Anlauf für viele gute Taten in den verbleibenden zwei Jahren.

Die Spitzen der Koalition treffen sich im neuen Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg. Es liegt relativ abgeschieden 60 Kilometer nördlich von Berlin. Die Barockanlage wurde nach der Wende Mitte der 90er-Jahre von der Messerschmitt-Stiftung gekauft und über mehr als zehn Jahre lang für 25 Millionen Euro wiederhergestellt. Die Bundesregierung bezahlte für die Sicherheits- und Konferenztechnik weitere 13 Millionen Euro. Im Januar überließ die Stiftung der Regierung das Anwesen auf 20 Jahre für 1 Euro jährlich.

Das Schloss wurde 1737 an der Stelle eines abgebrannten Vorgängerbaus errichtet. 1774 kaufte es der Bruder des Preußenkönigs Friedrich II., Heinrich, für seinen Geliebten. Zu späteren Eigentümern gehörte der Herausgeber der Vossischen Zeitung, Carl Robert Lessing, ein Großneffe des Dichters und Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing.

Ausgangspunkt ist ein schmuckes Barockgebäude, das Theodor Fontane als "Zauberschloss" bezeichnete. Um die Bedeutung der Klausur an diesem wundersamen Ort herauszustreichen, ist Merkel kein Superlativ zu hoch. "Wir stellen die Weichen für ein zukunftsfähiges Deutschland", hat sie angekündigt. Nicht nur für die nächsten zwei Jahre, nein, die Weichen sollen gleich "für die nächsten Jahrzehnte" gestellt werden, sagt Merkel, mehr als einen Tick zu großspurig. Damit nicht alle lachen, hat sie eine lange Liste voller Vorhaben vorgelegt. Mit dem Klimaschutz an erster Stelle. Bei diesem aktuellen Winnerthema ist es noch am glaubwürdigsten, von Nachhaltigkeit zu sprechen - zumal sich Union und SPD da halbwegs einig sind. Viel schwieriger ist es, innenpolitisch Neues anzupacken.

In zentralen Feldern wie Gesundheit, Rente oder Pflege hat die Koalition bereits "Reformen" beschlossen, die zwar wenig Beifall fanden, aber in dieser Koalition kaum noch ausbaubar erscheinen. Für einen neuen Anlauf fehlen hier Gemeinsamkeit und Wille, denn beide Regierungsparteien möchten 2009 mit unterschiedlichen, sozialpolitischen Konzepten Wahlkampf machen: die SPD mit der Bürgerversicherung, die Union mit dem Ruf nach mehr Eigenverantwortung und Privatvorsorge.

Die aus diesen Konflikten resultierende Blockade versucht die Regierung nun mit umso größerer Betriebsamkeit zu übertünchen. In Meseberg wird es nur so Ankündigungen regnen. Ein bisschen Kinderzuschlag hier, um gemeinsam sozial zu wirken. Ein paar winzige Erleichterungen bei der Einwanderung da, um die Fachkräfte suchende Wirtschaft ruhig zu stellen. Und, natürlich, weitere Maßnahmen zur Förderung der Familien. Da gibt es eigentlich die größten Gemeinsamkeiten: Merkels Ministerin Ursula von der Leyen macht das, was die Mehrheit der Wähler will und was ihre SPD-Vorgängerin schon plante.

Für Merkel rosige Erfolgsaussichten? Gerade deshalb wachen die Sozialdemokraten eifersüchtig über jeden kleinsten Schritt - ebenso wie die CDU-Länderfürsten, die ihr auch nichts gönnen.

Es wird also noch viel gefeilscht werden. Merkel bleibt die Rolle, das Hickhack zu moderieren und Klein-Klein als großen Fortschritt zu verkaufen. Bisher hatten die Deutschen viel Verständnis für ihre Kompromisskanzlerin. Mal sehen, wie lange noch.

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