Hausbrand in Ludwigshafen: Anschlag "äußerst unwahrscheinlich"

Die Ursache der Brandkatastrophe bleibt ungeklärt - wahrscheinlich sei das Feuer durch fahrlässiges Verhalten entstanden. Türkische Experten haben "keine Zweifel".

Die Trauer bleibt - egal, wie es passiert ist. Bild: reuters

LUDWIGSHAFEN taz Gut einen Monat nach dem Brand in einem Ludwigshafener Wohnhaus, bei dem neun Menschen türkischer Herkunft starben, gab Oberstaatsanwalt Lothar Liebig während einer Pressekonferenz im großen Saal des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen bekannt, dass die Brandursache bisher nur teilweise aufgeklärt werden konnte. Als "Zwischenergebnis" schließe er einen Brandanschlag mittlerweile fast völlig, aber eben doch nicht ganz aus, sagte Liebig am Dienstagnachmittag.

Das viergeschossige 100-jährige Backsteinhaus in der Ludwigshafener Innenstadt am Danziger Platz war am Abend des Faschingssonntags am 3. Februar in Sekundenschnelle in Flammen aufgegangen. Neun Menschen türkischer Herkunft, vier Frauen und fünf Kinder, waren ums Leben gekommen, 60 verletzt worden. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan besuchte wenige Tage später eine Trauerfeier vor dem Brandhaus und forderte von der Bundesregierung schnelle Aufklärung. Die türkische Regierung ließ mit dem Einverständnis der deutschen Behörden vier Brandspezialisten zur Beobachtung der Arbeit der 90-köpfigen Sonderkommission anreisen.

Es sei sicher, so Oberstaatsanwalt Liebig am Dienstag, dass der Brand unter den letzten sechs Stufen der Kellertreppe als Schwelbrand entstanden sei. Der Brandherd sei zuerst sehr klein gewesen und habe "eine beachtliche Zeitspanne, 15 Minuten bis 3 Stunden", gebraucht, um sich auszubreiten. Zum Inferno sei er erst geworden, als er wie auch immer durch die zuvor geschlossene Kellertür gelangt und durch Sauerstoffzufuhr angefacht worden sei. Man habe den Brandschutt mehrfach im Labor untersucht, durchgesiebt, analysiert. Es seien weder Brandbeschleuniger noch pyrotechnische Rückstände oder Kerzenwachs gefunden worden. Liebig erklärte es außerdem für unwahrscheinlich, dass ein Brandstifter sich "eine derart gemächliche Brandentwicklung als Methode ausgesucht" hätte. Außerdem wäre das Entdeckungsrisiko sehr hoch gewesen. Der Keller sei "verwinkelt und langgezogen", im "wahrsten Sinne in der Tiefe des Hauses", das an diesem Tag sehr belebt gewesen sei.

Oberstaatsanwalt Liebig schloss auch einen technischen Defekt aus. Weder seien elektrische Einrichtungen defekt gewesen noch unsachgemäß genutzt worden, denn "im Brandausbruchsbreich" habe es gar keine Leitungen gegeben. Auch für Funkenflug durch Metallarbeiten oder eine weggeworfene Zigarette gebe es keine Beweise. Eine "genaue Punktlandung" der Ermittlungen sei aber nicht möglich, weil die hohe Hitze die meisten Spuren vernichtet habe. Es habe nicht einmal sicher festgestellt werden können, was genau im Keller lagerte, eventuell Mörtel und alte Zeitungen. Aber die Aussagen der Bewohner seien "widersprüchlich". Nach aller forensischen und kriminalistischen Erfahrung sei es "sehr wahrscheinlich", dass das Feuer "durch ein wie auch immer geartetes fahrlässiges Verhalten entstanden ist".

Ein fremdenfeindlicher Brandanschlag oder eine sonstige vorsätzliche Brandlegung seien "äußerst unwahrscheinlich", betonte Liebig. Er wehrte sich bei der Pressekonferenz gegen in den letzten Wochen immer wieder neu entstandene Gerüchte. Möglicherweise seien vorzeitig "aus illegalen Quellen" Dienstgeheimnisse an Medien verraten worden. Die inzwischen zurückgenommenen Aussagen von zwei Mädchen, sie hätten einen zündelnden Mann im Hausflur gesehen, seien inzwischen psychologisch auf ihre Glaubwürdigkeit hin geprüft worden. Die Kinder hätten "schwer traumatisiert" nur versucht, eine Erklärung für die Katastrophe zu finden. Liebig richtete noch einmal einen Appell an eventuelle weitere Zeugen, sich zu melden.

Kriminaldirektor Eberhard Weber erklärte, dass die Untersuchungen am Brandort in Kürze abgeschlossen sein werden. Die Sonderkommission werde reduziert, arbeite aber vorerst weiter.

Die türkische Delegation kündigte ihre Abreise an. Ihr Leiter Mehmet Tüzel dankte noch einmal der deutschen Polizei für die Zusammenarbeit. Er habe "gar keinen Zweifel" an den bisherigen Ermittlungsergebnissen, könne Brandstiftung aber "nicht gänzlich" ausschließen, sagte Tüzel, der stellvertretender Abteilungsleiter im türkischen Innenministerium ist.

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