Online-Sperre von "Virgin Killer": Wiki wieder frei

Die britische Online-Aufsicht hebt die Blockade gegen eine Wikipedia-Seite mit einem Skandal-Plattencover auf - mit absurder Begründung.

Von der Internet-Blockade der britischen Aufsichtsbehörde wieder vollständig freigelassen: Wikipedia. Bild: dpa

Nutzer in Großbritannien können seit Dienstag wieder voll auf das Angebot der englischen Ausgabe des Online-Lexikons Wikipedia zugreifen. Die Internet-Überwachungsorganisation Internet Watch Foundation (IWF) löste die Sperre einer Seite in dem Angebot auf, die seit dem Wochenende bestanden hatte. Sie enthielt die umstrittene Abbildung einer Schallplatte einer deutschen Hardrock-Band.

Das Original-Albumcover der "Scorpions"-Platte "Virgin Killer" aus dem Jahr 1976 zeigt ein 11- bis 12jähriges nacktes Mädchen, dessen Schambereich mit einem Glaseffekt bedeckt ist. Die IWF hatte nach Meldung durch einen Nutzer entschieden, dass es sich dabei um ein "möglicherweise illegales unsittliches Bild" handele und die angeschlossenen Provider dazu aufgefordert, es zu sperren. Mindestens sechs große britische Internet-Anbieter, die an das Sperrsystem der IWF angeschlossen sind, kamen der Aufforderung nach, so dass große Teile Großbritanniens betroffen waren. Laut IWF habe man zuvor mit Wikipedia-Vertretern gesprochen, die Sperre aber nicht zur beiderseitigen Zufriedenheit, also etwa durch die Herunternahme der fraglichen Abbildung aus dem Online-Lexikon, regeln können.

Nun hieß es wiederum, man habe sich aufgrund des Alters der Abbildung und seiner bereits starken Verbreitung im Netz dazu entschieden, die Blockade wieder aufzuheben. Tatsächlich gab und gibt es diverse andere Stellen, an denen sich die Abbildung finden lässt, hatten Experten bemängelt. Der Sinn solcher Internet-Sperren wurde von der IWF allerdings nicht hinterfragt. Man habe dafür zu sorgen, dass potenziell kinderpornografische Darstellungen aus dem Web herausgehalten werden, hieß es.

Die Diskussion um die Wikipedia-Sperre brachte auch in Deutschland einiges in Bewegung. So regte die Freiwillige Selbstkontrolle Multimediaanbieter (FSM) bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien an, eine Indizierung des Jahrzehnte alten Covers zu prüfen. Den "Scorpions" selbst ist die Debatte unterdessen äußerst unangenehm. Gruppenmitglieder hatten in der Vergangenheit gesagt, das Album sei damals vom "Kreativteam der Plattenfirma" gestaltet worden, man habe es aber abgesegnet. Die Idee sei gewesen, das Titelstück der Platte, zu Deutsch "Jungfrauenkiller", zu symbolisieren - das nackte Mädchen hinter splitterndem Glas sollte darstellen, wie die Zeit die Keuschheit der Menschen auffrisst. Bandmitbegründer Rudolf Schenker sagte am Dienstag gegenüber seinem Hannoveraner Heimatblatt "Neue Presse", eine solche Darstellung würde man heute nicht mehr wählen. Kinderpornografie sei furchtbar. "Damals aber waren die Zeiten andere, das war kein Thema." 1976 hätten sich die Reaktionen in Deutschland daher in Grenzen gehalten, nur ein Magazin habe das Cover zur "Sauerei der Woche" erklärt. Trotzdem hat die Formation nach Kritik in mehreren Ländern das Bild aber gegen eine unverfängliche Banddarstellung ausgetauscht. Diese ist auch heute weiter im Handel.

Vertreter von Wikipedia zeigten sich unterdessen erleichtert, dass die Sperre aufgehoben wurde. Sie hatte zu teils extremen Kollateralschäden geführt: Da die britischen Provider zur Durchsetzung der Zensur alle Anfragen an Wikipedia durch zentrale Server, so genannte Proxys, leiteten, konnten die Administratoren des Online-Lexikons nicht mehr zwischen einzelnen Nutzern in dem Land unterscheiden. Im Ergebnis mussten sie deshalb die Möglichkeit, auch ohne Anmeldung eigene Beiträge zu verfassen, sperren, um Online-Vandalismus vorzubeugen - während der Sperrphase konnten also nur angemeldete Nutzer in Großbritannien zur Wikipedia beitragen. Mike Godwin, Anwalt der Wikimedia Foundation, die Wikipedia in den USA betreibt, sagte, es sei sowieso verwunderlich gewesen, dass ausgerechnet das Online-Lexikon von der Blockade betroffen gewesen sei. So könne man das Cover unter anderem bei mehreren renommierten Online-Händlern vorfinden und die CD dort auch kaufen. Die IWF hatte nicht nur das Bild selbst, sondern auch die Textseite zu "Virgin Killer" blockieren lassen, die unter anderem die Kontroverse um die Abbildung erklärte.

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