Kommentar Heroinersatz: Gebt das künstliche Heroin frei

Die Unionsfraktion sträubt sich gegen die Zulassung von künstlichem Heroin - weil sie mit Junkies keine Wählerstimmen bekommen.

Der Staat dürfe sich nicht zum Dealer machen, es käme ja auch niemand auf die Idee, einem Alkoholiker täglich eine Flasche Schnaps in die Hand zu drücken. Mit solchen populistischen Argumenten blockiert die Unionsfraktion im Bundestag schon seit Monaten die Zulassung künstlichen Heroins als Medikament. Diamorphin heißt die Substanz in der Fachsprache, Schwerstabhängige injizieren sie sich streng kontrolliert mehrmals täglich selbst. Spritzen unter Aufsicht, und der Staat gibt den Stoff? Für die Union ist das offenbar eine unerträgliche Vorstellung.

Die Blockade der Christdemokraten und Christsozialen ist jedoch rein ideologisch. Experten sind überzeugt, dass die Behandlung mit Diamorphin für eine kleine Gruppe von Schwerstabhängigen die einzige ist, die noch Hoffnung verspricht. In sieben deutschen Modellstädten hat sie sich als Erfolg erwiesen. Die Abhängigen, die jahrelang im Sumpf der Drogenszene steckten und bei denen alle sonstigen Therapien mit Ersatzstoffen wie Methadon scheiterten, finden einen Weg zurück in ein halbwegs normales Leben. Die Alternative für diese kleine Gruppe von Süchtigen lautet: dreckiges Heroin von der Straße oder Diamorphin vom Staat. Und das bedeutet: Abstieg in die Kriminalität oder Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Und manchmal ganz einfach nur: Tod oder Leben.

13 von 16 Bundesländern haben deshalb schon im Herbst 2007 eine Zulassung von Diamorphin als Medikament gefordert - die Voraussetzung für eine bundesweite Versorgung von Schwerstabhängigen mit dem künstlichen Heroin. Und obwohl unter diesen Bundesländern mehrere unionsregierte sind, kann sich die Unionsfraktion im Bundestag nicht zu einer Zustimmung durchringen - mit dem fadenscheinigen Argument, es bedürfe erst weiterer Studien.

Aus Unionssicht ist das Kalkül klar: Mit Junkies lassen sich keine Wählerstimmen gewinnen. Mit einer harten Haltung gegen das angebliche "Heroin auf Krankenschein" dagegen schon eher. Eine zynische Haltung, die das Leben von Suchtkranken aufs Spiel setzt.

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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