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Kritik an deutscher Afghanistanpolitik"Ein Sündenfall"

Die Deutsche Welthungerhilfe erhebt schwere Vorwürfe gegen die Afghanistanpolitik der Bundesregierung. Zu sehr werde Militär und Wiederaufbau miteinander vermischt.

Es werde so getan, als seien die deutschen Soldaten als Entwicklungshelfer im Einsatz, kritisiert die Deutsche Welthungerhilfe. Bild: ap

BERLIN rtr | Die Deutsche Welthungerhilfe hat schwere Vorwürfe gegen die Afghanistanpolitik der Bundesregierung erhoben. Die sogenannte "zivil-militärische Zusammenarbeit" sei ein Sündenfall, schrieb Generalsekretär Wolfgang Jamann in einem Gastbeitrag für die Zeitung Bild am Sonntag. Die Aufbauprojekte der Bundeswehr seien vom Umfang her zu vernachlässigen, aber die Vermischung von Militär und Wiederaufbau habe erheblichen Schaden angerichtet. Das Bundesentwicklungsministerium wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Jamann erklärte, die Entwicklungshilfe werde durch die Wiederaufbauteams in den Provinzen "als Instrument für politische und militärische Interessen missbraucht und ist sogar Teil der Militärstrategie geworden. Deshalb wird sie nicht mehr als unparteilich wahrgenommen." Oppositionelle Kämpfer griffen mittlerweile auch Entwicklungshelfer an - obwohl diese politisch neutral und nur dem Gebot der humanitären Hilfe verpflichtet seien. "Die Bundesregierung tat lange so, als wären in Afghanistan die deutschen Soldaten als Entwicklungshelfer im Einsatz. Damit hat sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut. Nun ist die Illusion geplatzt. Die Bundeswehr kämpft in Afghanistan an unübersichtlichen Fronten", kritisierte er.

Das Entwicklungsministerium wies dies zurück: "Für die Bundesregierung insgesamt gilt: getrennte Verantwortlichkeiten, gemeinsame Verantwortung. Die deutschen Entwicklungs- und Wiederaufbauhelfer leben und arbeiten deshalb außerhalb der Bundeswehrcamps", teilte eine Sprecherin mit. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) habe "von Anfang an großen Wert auf diese klare Trennung gelegt im Gegensatz zu der bis vor kurzem gängigen US-Strategie, Entwicklung dem Militär unterzuordnen".

Die Deutsche Welthungerhilfe arbeitet nach eigenen Angaben seit Anfang der 80er-Jahre ohne Unterbrechung in dem Land am Hindukusch. "Aber nie war die Sicherheitslage für Entwicklungshelfer so explosiv wie jetzt", erklärte Jamann. Als Konsequenz verlangte er eine strikte Trennung von Militäraktionen und Entwicklungshilfe: "Wir fordern, die Aufgaben klar zu trennen: Entwicklungshelfer helfen, die Bundeswehr kümmert sich um die Sicherheit."

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9 Kommentare

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  • U
    uiop

    Ähm... Ein grundsätzliches Problem mit weltweiten Kriegseinsätzen einer deutschen Armee hat aber niemand mehr? Ganz im Ernst nicht?

     

    Ich habe übrigens nicht den Eindruck, dass es darum ginge, den AfghanInnen humanitär zu helfen. Denn wenn dem so wäre, dann hätte man seit dreißig Jahren genug Gelegenheit gehabt, eine solche Hilfsbereitschaft auch mal an den afghanischen Flüchtlingen hierzulande zu demonstrieren. Davon war bisher leider noch nicht so viel zu sehen. Stattdessen: Lager- und Containerunterbringung, Residenzpflicht, Gutscheinsystem, Aberkennung beruflicher und akademischer Qualifikationen, Vorenthaltung bzw. sehr zögerliche Gewährung von Deutschkursen und Hilfen zur beruflichen Integration, Kettenduldungen, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Abschiebungen ins Kriegsgebiet usw. Tolle humanitäre Hilfe.

  • A
    AnnaMa

    Die Problematik der Vermischung von ziviler Hilfe und Militär wurde bereits zu Beginn des deutschen Kriegsengagements diskutiert.Zivile Organisationen wiesen bereits damals darauf hin, dass sie durch die bewußte Vermischung von zivil und militärisch ebenfalls zu Zielen würden. Und jetzt? Ist die Bundeswehr ein ziviler Helfer oder eine kriegsbeteiligte Partei? Sollen die Taliban vor jeder Kampfhandlung jeden Bundeswehrsoldaten fragen, was er bis vor einer Sekunde getan hat...nach Wasser gebohrt oder gekämpft?

    Vielleicht sollte uns ja von unseren Herrschenden auf diese Art der zivilmilitärischen Vermischung ganz sanft die Kriegsbeteiligung nahe gebracht werden?

    Mein Vorschlag: Verhandlungen des 'Westens' mit allen gesellschaftlichen Gruppen in Afghanistan, inclusive Taliban, auch den 'bösen'. Ziel: Frieden.

    Baldiger Rückzug der westlichen Interventionstruppen. Die Milliarden, die aktuell durch Krieg verschwendet werden, werden zukünftig in den afghanischen Wiederaufbau gesteckt. Als Wiedergutmachung. Und komm mir keiner mit den armen afghanischen Frauen, die doch durch den 'Westen' befreit werden müßten von ihren Männern. Wieviele afghanische Zivilistinnen sind schon durch westliche Truppen getötet worden?

    Aber ausgeträumt mit Frieden, da wird nix draus. Bush's Angriffskrieg ist mittlerweile auch Obama's Krieg. Und der will ein siegreiches Ende. Es wird noch viele Tote geben. Vietnam II, und Merkel's 'Jungs' glorreich dabei.

    So, und nu gehn' ma baden, wa?

  • GH
    G. H. Pohl

    @ Andi

    Sehr geehrter „Andi“, ich unterstelle Ihnen durchaus besten Willen, wenn es um Hilfe für die Bevölkerung geht.

    Ob es an Ihrer Hilflosigkeit liegt, vermag ich nicht zu beurteilen.

    Ihre Aggressivität mit der Sie Ihre Unterstellungen verbreiten ist nicht geeignet, mich auf dieses Niveau herab zu ziehen.

    Ich habe weder die Vorgeschichte verdrängt, noch bin ich ein „Militärlobbyist“, nur weil ich nicht in Ihr Denkschema passe. ( Übrigens auch nicht in das der „Militärlobbyisten“ )

    Ihr Wunschdenken hilft niemandem.

    Mit wem denn wollen Sie einen Plan aushandeln wenn die Bundeswehr aus Afghanistan heraus ist? Mit den seit jeher herrschenden und ebenso geldgierigen wie korrupten Stammesoberen? Was mich bedenklich macht: Sie erwähnen nicht mit einem Wort die Untaten der Taliban und wie Sie diesen begegnen wollen. Mag ja sein, daß sie bei Ihrem Anblick ihren Hass vergessen und ihre Waffen vernichten. Das wären wesentliche Voraussetzungen, um mit „Frau und Herrn Afghanisches Volk“ frei und konstruktiv zu reden. Ihr 123 – „Konzept“ reicht da wohl nicht ganz… Denken Sie mal ernsthaft nach….

  • A
    Andi

    Darf ich Ihnen vorstellen,

    G. H. Pohl,

    lange Jahre hat dieser Mitbürger in Afghanistan gelebt und kennt natürlich auch die Zeit vor den Taliban. Der Besserwisser der Afghanistan-Politik.

    Wieso verdrängen Sie die Zeit der Sowjetunion?

    Wieso verdrängen Sie die Machenschaften der CIA währenddessen?

    ".....zerstört..."

    Wer hat noch und was zestört Sie Militärlobbyist?

     

    "..deutsche Konzeption..."

    Die wäre?

     

    "...Lösung des Problems.."

    Ganz einfach:

    Bundeswehr hat in Afghanistan nichts zu suchen:

    1.Aus Afghanistan raus

    2.Einen Plan aushandeln: Wie,welche,wann Hilfe.

    3.Zuerst dem afghanischen Volk unseren guten Willen glaubhaft machen. Knackpunkt:Wir haben an Glaubwürdigkeit verloren.

     

    Soooo, einfach ist es.

     

    Sie haben wohl vergessen, wie wir da reingeraten sind: Als Köder der USA.

     

    Es gibt komplitzierte Formeln und...

    ...es gibt die Logik.

     

    Sie wollen doch keine Lösungen, Sie wollen Krieg.

  • GH
    G. H. Pohl

    @erik: Sie haben Recht: militärisch allein sind die Konflikte (nicht nur) in Afghanistan nicht lösbar, folgerichtig daher auch die besondere deutsche Konzeption, die sich deutlich von der amerikanischen unterscheidet.

    Was zunächst als Sicherung des Aufbaus gedacht war, erfährt durch Handeln der Taliban substantielle Veränderungen.

    Daher betreiben Sie erneut eine Vermischung von Ursache und Wirkung, wenn Sie von „Kriegsführung“ schreiben, wenn sich die Bundeswehr inzwischen auch vorbeugend der Angriffe der Taliban erwehrt. Niemand kann ernsthaft von „humanitärem Krieg“ reden, Krieg ist nie human, allenfalls die damit verbundenen Ziele.

    Die Frage warum es Taliban gibt, könnte durchaus mit den von mir beschriebenen Mißständen in Afghanistan zusammenhängen. Dem widerspricht jedoch, daß es ähnliche Organisationen mit vergleichbaren Zielen und Vorgehensweisen in Somalia, Niger, in Indien und auf den Phillipinen gibt, um nur einige zu nennen.

    Ansonsten drücken Sie sich – wie auch Herr Jamann - vor Beantwortung der Frage, wie Sie das Problem „Taliban“ angehen wollen. Eines steht fest: mit Aufbau und Versorgung, verbunden mit Streicheleinheiten allein ist es nicht zu schaffen.

  • E
    erik

    @pohl: das ist ein wenig einfach; warum gibt es den die taliban? da gelangt man in pakistan an, einer rolle der usa in der entstehungsprozess usw.

     

    in afghanistan herrscht in verschiedener intensität seit jahrzehnten krieg; militärisch scheinen die konflikte dort nicht lösbar.

     

    die kritik an der vermischung von entwicklungsbemühung mit kriegsführung ist richtig; denn zivil-militärische kooperation sollen die mär von "humanitären krieg" untermauern - ein selbstbetrung dem sich vor allem renegaten hingeben, die immer noch das schlechte gewissen reitet, unter rot-grün ihren pazifismus aufgegeben zu haben.

  • GH
    G. H. Pohl

    Es ist schon erstaunlich, zu welch – freundlich ausgedrückt - weltfremden Äußerungen Herr Jamann sich hinreißen läßt.

    Wenn geholfen wird, und zu den Helfern auch die Bundeswehr gehört, um so besser.

    Einer verelendeten Bevölkerung ist jede Hilfe recht, gleich woher sie kommt.

    Für den Großteil der Bevölkerung in Afghanistan gab es nie halbwegs erträgliche Lebensumstände.

    Die verbrecherischen Banden, die sich Taliban – „Gotteskrieger“ – nennen, haben die Lage extrem verschärft.

    Wenn sie Ihre Taten planen und ausführen, kennen sie in ihrem pseudoreligiösen Wahn nicht die geringste Zurückhaltung. Sie zerstören die Infrastruktur, so weit sie überhaupt vorhanden ist. Sie verstecken sich mitten in der Zivilbevölkerung um bei ihrer Bekämpfung Opfer zu provozieren. Sie drohen, sie erpressen. Sie töten Männer, Frauen und Kinder um Terror auszuüben und wieder die Macht zu erlangen um ihre absurde, in der Konsequenz auch anti-islamische Lebensweise durchzusetzen. Dazu ist Ihnen absolut jedes Mittel recht.

    Diese Situation dürfte Ihnen bekannt sein.

    Aber: als Angreifer – und um das zu wissen, sehr geehrter Herr Jamann, muß man kein Militärstratege sein – bestimmt man stets Ziel, Ort, Zeitpunkt und Umfang von Aktionen.

    Also, sehr geehrter Herr Jamann, vertauschen Sie nicht Ursache und Wirkung.

    Gäbe es die Taliban nicht, gäbe es keinen Grund für die Anwesenheit von ausländischen Soldaten in Afghanistan.

  • WS
    wolfgang stein

    Die deutsche Welthungerhilfe, Ärzte ohne Grenzen,

    Ärzte gegen den Atomkrieg und wie die Organisationen

    dieser Exzentriker alle heißen mögen, sie sind so

    überflüssig wie ein Kropf. Da versammeln sich schuld

    bewußte Kreaturen und leiden an der Welt und suhlen

    sich im Elend. Sie wollen gar nicht helfen, sie

    müssen triebtäterhaft ihrem Leben einen Sinn geben.

    Sie wollen keine Lösungen der Probleme der Welt, denn das würde sie ihrer Lebensinhalte nehmen. Von

    daher ist auch die neuste Stellungnahme nur Flug-

    sand in Wind.

  • K
    kolr

    Fassen wir mal zusammen. Der werte Herr fordert von den Soldaten doch bitte schön mit ihrem Leben für ein steriles Arbeitsumfeld zu sorgen. Im Gegenzug möchte er aber mit der Armee (igitt was sagen nur die spender dazu!) nichts zu tun haben. Schon mal was von reziprozität gehört.

    Pfui teufel