Trotz Anschlag vor Nato-Hauptquartier: Karsai ruft Afghanen zur Wahl

Der afghanische Präsident verurteilt den Selbstmordanschlag der Taliban und fordert seine Landsleute auf, trotz der Gewalt am Donnerstag zur Wahl zu gehen.

Knapp 100 Menschen wurden bei dem Anschlag in Kabul verletzt, darunter auch dieser Junge. Bild: ap

KABUL rtr/dpa | Wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Afghanistan haben die Taliban mit einem Selbstmordanschlag vor dem Nato-Hauptquartier in Kabul die Angst in der Bevölkerung geschürt. Der Attentäter sprengte sich im schwer bewachten Diplomatenviertel in einem Auto in die Luft und riss sieben Afghanen mit in den Tod. Knapp 100 Menschen wurden verletzt, wie das afghanische Verteidigungsministerium am Wochenende mitteilte. Unter den Verletzten sind neben vielen Zivilisten auch mehrere Isaf-Soldaten. Afghanistans Präsident Hamid Karsai verurteilte das Attentat und rief seine Landsleute auf, sich ungeachtet der Gewalt am Donnerstag an der Wahl zu beteiligen.

Zu dem Anschlag in der Hochsicherheitszone bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Ziel sei eigentlich die nahe gelegene US-Botschaft gewesen, der Angreifer habe aber nicht bis dorthin vordringen können, sagte ein Sprecher der Rebellen der Agentur Reuters über Satellitentelefon. Die Islamisten haben zum Boykott der Wahl aufgerufen und ihre Angriffe verstärkt.

"Die Feinde Afghanistans versuchen, während des Wahlkampfs in der Bevölkerung Angst zu schüren", erklärte Karsai. "Aber die Menschen wissen ganz genau, wie wichtig es ist, ihre Stimme abzugeben." Bei der Wahl geht Karsai als Favorit ins Rennen.

Der Attentäter gelangte mit seinem Wagen unbehelligt durch zwei kleinere Kontrollpunkte in dem Diplomatenviertel Wasir Achbar Chan, ehe er offenbar den falschen Weg einschlug und an einem strenger bewachten Posten angehalten wurde. Er sei in das Verteidigungssystem eingedrungen und von der Polizei gestoppt worden, sagte ein Sprecher der Isaf-Truppe. Dann habe sich der Attentäter entschieden, die Autobombe zu zünden.

Von der Wucht der Explosion am schwersten betroffen war das Verkehrsministerium. Dort wurden Dutzende Mitarbeiter durch herumfliegende Glassplitter verletzt. Vor dem Nato-Hauptquartier, das in derselben Straße wie die US-Botschaft liegt, lagen die Reste eines in Stücke gerissenen Wagens und weitere Autowracks. Eine gegenüber liegende Schutzmauer wurde schwer beschädigt. Rauch lag über dem Tatort.

Es war der erste Selbstmordanschlag in Kabul seit dem Attentat auf die deutsche Botschaft im Januar, bei dem vier Zivilisten und ein US-Militärangehöriger ums Leben kamen. Im Februar griffen Talibankämpfer mehrere Regierungsgebäude an und töteten dabei 19 Menschen. Die afghanische Hauptstadt steht zudem immer wieder unter Raketenbeschuss.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in einem Kondolenzbrief an Karsai von einem "mörderischen Anschlag" und sicherte ihm weitere Unterstützung im Ringen um eine demokratische Ordnung zu: "Gemeinsam mit seinen Partnern wird Deutschland Ihrem Land auch weiterhin nach Kräften beim Wiederaufbau und der Herstellung der dafür notwendigen Sicherheit zur Seite stehen."

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bekräftigte in Berlin, die Bundeswehr müsse auch nach der Präsidentenwahl in ihrer bisherigen Truppenstärke am Hindukusch aktiv bleiben. Die Sicherung der 6.600 Wahllokale in Afghanistan erfordere eine "enorme Anstrengung". Jung rechnet damit, dass die Bundeswehr noch fünf bis zehn Jahre in Afghanistan bleiben muss. Ziel sei es, dass das Land selbst für seine Sicherheit sorgen könne, sagte Jung dem Sender hr-info. Zur Absicherung des Urnengangs sind die internationalen Truppen verstärkt worden. Das Bundeswehrkontingent wurde im Frühjahr um 600 auf 4.200 Soldaten aufgestockt.

In der Provinz Kundus lieferten sich am Samstag deutsche Soldaten ein Gefecht mit Talibankämpfern. Nach Angaben der Bundeswehr erlitt ein Soldat leichte Verbrennungen. Ein Sprecher sagte, auch am Sonntag sei es zu Kämpfen gekommen, an denen aber keine Deutschen beteiligt gewesen seien.

Am Samstag starben zwei britische Soldaten, womit die Zahl der in Afghanistan getöteten Einsatzkräfte auf insgesamt 201 anstieg. Nachdem ein Soldat seinen Verletzungen erlag, die er bei einer Explosion mehrere Tage zuvor erlitten hatte, kam im Süden des Landes ein weiterer Mann bei einem Bombenanschlag ums Leben.

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