Kommentar Steuersenkungen: Wahlgeschenk zur falschen Zeit

Die Bundesregierung nennt ihr Steuersenkungsgesetz ein Konjunkturpaket zur "Wachstumsbeschleunigung". Das ist natürlich falsch.

Es gibt Fehler in der Politik, die jede neue Regierung offenbar zwanghaft wiederholt. Dazu gehört die Klientelbefriedigung mit Wahlgeschenken gleich nach Amtsantritt. Später wird man sie oft schwer bereuen. So war es, als Rot-Grün den demografischen Faktor in der Rentenversicherung abschaffte und wenig später als Nachhaltigkeitsfaktor wieder einführte. So ist es jetzt mit den schwarz-gelben Steuernachlässen für Unternehmer und Besserverdienende, denen Kürzungen und Mehrbelastungen angesichts klammer Kassen alsbald folgen werden.

Ein neues Konjunkturpaket zur "Wachstumsbeschleunigung", wie die Regierung das Gesetz nun plötzlich beschönigend nennt, ist das Konvolut jedenfalls nicht. Das Geld, das jetzt zusätzlich in Kindergeld und Kinderfreibetrag fließt, wäre für bessere Schulen und neue Betreuungsplätze weitaus sinnvoller angelegt. Dass große Unternehmen ihre Verluste jetzt wieder nach Herzenslust steuermindernd hin und her schieben können, war eigentlich bewusst verhindert worden - als Lehre aus der allzu blauäugigen Steuerreform Gerhard Schröders. Und die erhöhte Gewinnspanne, die den deutschen Hoteliers eine niedrigere Mehrwertsteuer beschert, wird im Gastgewerbe kaum einen überraschenden Bauboom auslösen.

Das Gesetz dient nicht der Beschleunigung des Wachstums, sondern der Entschleunigung des Wählerabflusses - wenigstens bis zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl im kommenden Mai. Bis dahin wollen Union und vor allem die FDP ihre Wirtschaftsklientel mit ein paar Vorleistungen anfüttern und demonstrieren, dass der Wechsel des Koalitionspartners eben doch etwas geändert hat. Dass es danach zu den versprochenen weiteren Entlastungen kommt, ist angesichts der düsteren Etatprognosen höchst unwahrscheinlich.

Verstärkt wird der üble Beigeschmack, den das Gesetzespaket erzeugt, noch durch den Termin seiner Verabschiedung. Ausgerechnet am 20. Jahrestag des Mauerfalls paukte Schwarz-Gelb das Wahlgeschenk durchs Kabinett. Als ob es zu diesem Jubiläum nichts Wichtigeres gäbe als Klientelpolitik. Als ob nicht schon bei der deutsch-deutschen Vereinigung der große Fehler darin bestand, statt eines Appells an die Solidarität der Bürger einfach nur die Schuldenschleuse aufzumachen. Auch das ist so ein Fehler, der sich jetzt wiederholt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.