Nach Zuspruch auf Proteste: Studenten verlangen Taten von Politik

Dem Zuspruch der Politiker begegnen die Studenten mit Skepsis. Sie wollen Taten statt Worte. Ihre Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Ermüdung.

Botschaft an Beust und Schavan: Studenten in Hamburg. Bild: dpa

BERLIN/MÜNCHEN taz Einen Tag nach ihrem Bildungsstreik können sich die protestierenden Studenten und Schüler kaum vor dem Zuspruch der Politik retten. Aber ernst genommen fühlen sich viele von ihnen nicht: "Ist ja schön, dass Herr Stratmann ankündigt, die Regelstudienzeit auszudehnen", kommentiert ein Mitorganisator der Proteste in Göttingen die Stellungnahme des niedersächsischen Wissenschaftsministers. "Aber das fällt überhaupt nicht in seinen Kompetenzbereich." Stratmann sei schließlich für die Finanzierung verantwortlich, habe aber kein Wort über Geld verloren. Stattdessen schiebe er die Verantwortung wieder den Hochschulen zu, die zwar die Probleme anerkennen würden, aber wenig ausrichten könnten. Im Übrigen hätten die Studenten in den letzten Monaten ständig Lippenbekenntnisse gehört. "Jetzt erwarten wir Taten."

"Vielleicht werden ja ein paar Schulverweise weniger verteilt", hofft Frederik Genn vom SchülerInnenBündnis Essen. Vor allem als Argument gegenüber den Rektoren ist ihm die Unterstützung aus der Politik willkommen. Nach den Protesten im Juni waren protestierende Schülern wegen unerlaubtem Fehlens Repressalien angedroht worden.

Anna Bühne, Referentin für Hochschulpolitik beim Asta der Uni Gießen, war dabei, als es am Rand der Demonstration in Wiesbaden zu einem Gespräch zwischen Politikern und Demonstranten kam - und ist umso enttäuschter. "Das war mehr ein Frage-Antwort-Spiel als eine Diskussion", sagt Bühne, "die wussten eigentlich nichts über unser Anliegen." Von den Vorschlägen, die die hessischen Studentenvertreter monatelang detailliert ausgearbeitet und den Politikern mehrfach zugeschickt hätten, hätten diese keine Ahnung gehabt. "Schön und gut, wenn man sich solidarisch erklärt", findet Anna Bühne, "aber wenn sich das nicht in Taten niederschlägt, bringt das alles nichts." Trotzdem glaubt sie, dass die Proteste fruchten könnten. Schließlich sei das in Hessen ja schon einmal gelungen, mit der Abschaffung der Studiengebühren 2006.

Sander Fuchs, Politikstudent an der FU Berlin, ist eine gewisse Genugtuung deutlich anzumerken: "Das ist natürlich super, wenn Schavan das Bafög erhöht, aber unsere Forderungen gehen weiter." Er will eine "Demokratisierung der Universitäten" und mehr Mitbestimmung für die Studierenden. Mit diesen Zielen steht er nicht allein da, wie der Andrang bei der Vollversammlung zeigt. Der besetzte Hörsaal 1a ist überfüllt, die Anwesenden sind nach der Demonstration mit 15.000 Teilnehmern in euphorischer Stimmung. "Die Demo war nur der Auftakt, nicht der Höhepunkt." Seine Kommilitonin Katharina Dahme ergänzt: "Auch Leute, die aufgrund ihres Studiums keine Zeit haben, unterstützen uns, indem sie uns mit Essen versorgen."

In München hingegen wirkt an diesem Vormittag alles ganz gewöhnlich: Am U-Bahn-Ausgang werben die Promotion-Stände, im Treppenhaus hetzen die Studenten in breiten Strömen zur nächsten Vorlesung. Einen Tag zuvor haben die Studenten mit 10.000 Teilnehmern die größte Bildungsdemonstration veranstaltet, die München seit Jahren gesehen hat. Und um Mitternacht traten die Sportfreunde Stiller im besetzten Audimax auf. Da gab es kaum einen freien Platz im Saal.

Am Mittag danach sitzen bestenfalls hundert Studenten im Audimax. Sie diskutieren müde über ihre inhaltlichen Forderungen. Gerade geht es um die Präambel. Oben im Saal reißt ein Student ein Protestplakat von einem Geländer. Ob er ans Mikrofon kommen und etwas sagen möchte, fragen die Besetzer. "Ich würde gern fragen, was ich tun muss, damit meine Recht-Vorlesung stattfinden kann", schreit der Störer zurück. Manchen Studenten dauert der Protest schon jetzt, nach nicht einmal einer Woche, zu lange. Die Besetzer wollen aber weitermachen. Aussagen wie die des bayerischen Forschungsministers Wolfgang Heubisch (FDP), dass man "bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses nachsteuern" müsse, sind ihnen zu vage. "Mit jedem weiteren Tag, an dem die Politik keine Zugeständnisse macht, wird der Widerstand stärker", meint Malte Pennekamp, einer der hiesigen Organisatoren des Bildungsstreiks. "Die Leute lassen sich nicht mehr mit kleinen Zugeständnissen abspeisen."

FRANZISKA LANGHAMMER,

JAN MOHNHAUPT, BERNHARD HÜBNER

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