piwik no script img

Linksruck bei Frankreichs RegionalwahlSchwere Schlappe für Sarkozy

Bei den Regionalwahlen in Frankreich hat die Partei von Präsident Sarkozy einen Denkzettel erhalten. Doch der rechtsextreme Front National konnte erneut profitieren.

Jean-Marie Le Pen freut sich. Der Parteichef des rechtsextremen Front National hatte wieder erfolgreich Stimmung gegen Migranten und Muslims machen können. Bild: dpa

PARIS taz | "Noch ist nichts verloren, noch ist alles offen", möchte der bürgerliche Premierminister François glauben. Es ist wie ein Stoßgebet. Fillon setzt seine letzte Hoffnung auf eine stärkere Mobilisierung der konservativen Wähler am kommenden Sonntag bei den Stichwahlen. Da in der ersten Runde der Regionalwahlen nicht mal die Hälfte der Stimmberechtigten wählen gingen, relativiert auch UMP-Sprecher Frédéric Lefebvre die sich abzeichnende Niederlage seiner Partei als bloß halb so schlimm. Nichts kann hingegen vertuschen, dass die konservative Regierungspartei von Präsident Nicolas Sarkozy einen Denkzettel erhielt. "Ohrfeige", "Sanktion", "Desavouierung", so lauteten die Titel der französischen Zeitungen, die von einem persönlichen Misserfolg des Präsidenten sprechen.

Wie schon vor sechs Jahren gab es bei den Regionalwahlen wegen der Unzufriedenheit mit der nationalen Politik einer Rechtsregierung einen Linksrutsch. Die "Union pour un Mouvement Populaire" (UMP) erhielt im Landesdurchschnitt nur 26,2 Prozent der Stimmen. Mit fast 29,4 Prozent liegen die oppositionellen Sozialisten klar vorn. Das ist eine politische Tendenzwende, denn seit der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen von 2007 steckte die "Parti Socialiste" (PS) in einer Krise.

Jetzt kann sich die von Martine Aubry geführte Partei nicht nur gegen die Regierungspartei erfolgreich durchsetzen, sondern sich auch klar als stärkste Kraft der linken Opposition behaupten. Die hauptsächlich von den Grünen gebildete Umweltliste "Europe Ecologie" erreichte zwar mit 12,5 Prozent ein respektables Ergebnis, das Ausdruck eines wachsenden politischen Umweltdenkens ist, sie kann damit aber die PS-Vorherrschaft nicht in Frage stellen.

Das gilt auch für die "Linksfront" (Kommunisten und "Linkspartei"), die sich dank zirka 6 Prozent im Durchschnitt für den zweiten Durchgang am 21. März mit den Sozialisten und Grünen zu Einheitslisten zusammenschließen wollen. Die Frist für die Verhandlungen hinter den Kulissen ist knapp. Die neuen Listen müssen schon morgen Abend eingereicht sein. Fast keine Rolle mehr spielt die "blockfreie" Zentrumspartei Modem von Jean-François Bayrou, die mit 4 Prozent etwa in derselben Kategorie mitspielt wie die extreme Linke (Trotzkisten).

Die hohe Stimmenthaltung (53,5 Prozent) veranschaulicht nicht nur ein gewisses Desinteresse, sondern auch eine Frustration, die zusammen mit der zunehmenden Islamophobie das Wiedererstarken des rechtsextremen "Front National" (FN) erklären kann. Im nationalen Durchschnitt erhielt der FN fast 12 Prozent. Dies erlaubt es ihm wahrscheinlich, in zwölf Regionen an der Stichwahl vom kommenden Sonntag teilzunehmen, was die Situation für die UMP, die wieder Wähler an die extreme Rechte verliert, noch zusätzlich kompliziert.

In der Provence-Alpes-Cote-d'Azur kann sich der FN-Parteichef Jean-Marie Le Pen, der seine Abschiedstournee bei Wahlen gibt, über rund 20 Prozent freuen. Seine Tochter und Nachfolgerin Marine Le Pen erzielte im Norden 19 Prozent. Die Parteichefin der Grünen, Cécile Duflot, machte dafür die Regierung verantwortlich, die "statt Lösungen für die echten Probleme vorzuschlagen, nur Sündenböcke benannt hat".

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • K
    kommentator

    Es gibt in Fankreich, genauso wie praktisch überall in Europa, keine zunehmende "Islamophobie", wie es in dem Artikel heißt, denn eine Phobie ist eine unbegründete Angst. Die Angst vor dem sich immer mehr ausbreitendem Islam ist aber sehr wohl begründet und völlig gerechtfertigt.

  • A
    andrela

    Vorab empfehle ich Herrn Balmer ein einjähriges Frankreichpraktikum, um kompetent aus Frankreich berichten zu können.

    Zur Sache: ein Desaster für Sarkozy gibt es nicht, es gibt viel mehr ein Desaster für die grossen Parteien und für die Demokratie: Zieht man die ungültigen Stimmen ab, haben unwesentlich mehr als 40 % ihre Meinung geäussert. Dass dann vor allem kleine Parteien, wie die extreme und populistische FN profitieren ist Allgemeingut.

    Die PS hat einzig und allein von den traditionellen PS Wählern und von "wir sind gegen Sarkozy"-Wählern profitiert, denn das ist derzeit leider der wesentliche Bestandteil des Parteiprogramms. Um wenigstens etwas in die Medien zu kommen hat Aubry den Konflikt mit dem regionalverwurzelten Provinzfürsten Freche vom Zaun gebrochen und vom Wähler die Quittung präsentiert bekommen (PS Kandidatin 8 %, Freche fast 40 %).

    Und Europe Ecologie mit den Grünen komplett in eine Tüte zu werfen, Herr Balmer, zeigt, wie wenig Sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Der relative Erfolg basiert vor allem auf dem Versuch sich mit den "linken Altgrünen" zu einer ökologisch politischen Alternative zu den traditionellen Parteien abzugrenzen. Der Elan innerhalb von Europe Ecologie (EE) kommt vor allem von "Nichtgrünen", die NIE Mitglied der Grünen geworden wären. Ergo treffen Sie dort so unterschiedliche Mitglieder wie die ehemalige Richterin Eva Joly, Jose Bové, den Pädagogen Philippe Meirieu (http://www.neuegegenwart.de/ausgabe41/meirieu.htm)

    und viele andere.

    Leider ist auch Cohn-Bendit in der Hinsicht nicht konsequent: einerseits will er wie viele der nichtgrünen EE Freunde raus aus dem franz. rechts-links Schema, andererseits biedert er sich jetzt bereits für die Präsidentschaftswahlen 2012 bei der PS an.

    Interessant Cohn-Bendit's Rede vor der ersten Runde der Regionalwahlen (vorsicht auf französisch!):

    http://www.dailymotion.com/EuropeEcologie

    Und hinsichtlich der 2. Runde der Regionalwahlen: In vielen Regionen wird es knapp und in Frankreich wählt man zwischen 2 Präsidentschaftswahlen immer wieder gerne gegen den Präsidenten. Nicht zu vergessen: die "Rechten" haben seit nunmehr 3 Legislaturperioden die Präsidentschaft inne - daher waren schon vorher alle ausser 2 Regionen von linken Regionalpräsidenten bestimmt.

  • D
    David

    Lieber Peter,

     

    mal wieder eine unsägliche Gegenüberstellung der Linkspartei mit Nazis - genau dass ist es, was erstens Nazis wie die NPD oder FN immer gewöhnlicher macht und verharmlost. Man kann die deutschen und die französischen Linken gerne kritisieren, aber sie sind nicht das linke Spiegelbild von Rechtsextremisten und Rassisten!

     

    Inhaltlich will ich auch widersprechen, zeigt doch der Artikel mit dem Beispiel Frankreich doch, das genau das Gegenteil des deutschen SPD - Die Linke - Theater besser wäre: Zu Stichwahlen oder für Koalitionen ist es sinnvoll, wenn sich das linke Lager aus Sozialdemokraten, Grünen und Sozialisten zusammenschließt. Wie man aus dem Artikel das Gegenteil raus lesen kann, ist mir völlig unerklärlich.

  • J
    Justice

    Wo kann man gerichtlich beabtragen, dass solche Leute wie Le Pen (toleriert das Schänden von Kindern im dritten Reich), öffentlich pervers genannt werden dürfen ?

    Laut moderner Psychoanalyse gibt es Übereinstimmungen zwischen Entwicklung krankhafter Sexualphantasien von Nazis zum Vergleich mit den Auswüchsen deutscher Katholiken.

  • P
    Peter

    Das Positive am Ergebnis des Front National ist, dass dieses zeigt, dass sich der Rechtspopulismus der Regierungspartei UMP nicht mehr ausgezahlt, sondern im Gegenteil Wähler noch verstärkt zum FN hat überwechseln lassen : Die Strategie, mit Xenophobie Wahlen zu gewinnen, geht für Sarkozy nicht mehr auf. Sarkozy war zuvor der Geniestreich gelungen, die rechtsextremen Wähler einzufangen und auf diese Weise Wahlkampf in der Mitte führen zu können. Die neue Situation mit einem erstarkten und nicht bündnisfähigen Front National ähnelt mit umgedrehten Vorzeichen der Situation der SPD in Deutschland, eingezwänkt zwischen der bundesweit nicht koalitionsfähigen Linkspartei und Mitte-Rechts.

     

     

    Paradoxalerweise ist also das gute Ergebnis des xenophoben FN eine sehr gute Nachricht für die in Frankreich lebenden Ausländer, die unter einer von Sarkozy aufgezwungen, unsäglichen "Debatte über die nationale Identität" zu leiden hatten. Diese Debatte wird jetzt mit Sicherheit dauerhaft begraben und man wird so schnell wie möglich versuchen, sie zu vergessen.

     

    Im linken Wählerspektrum hingegen sind nur noch die Parti Socialiste und "Europe Ecologie" (eine Art Ökobündnis von Cohn-Bendit vor den Europawahlen geschaffen, eher mittelinks anzusiedeln) von Gewicht und diese können zusammenarbeiten. Die linksextremen Parteien hingegen haben miserable Ergebnisse.

     

    Wahltaktisch gesehen ist dies ein erstes Zeichen, dass ein Mittelinksbündnis die Presidentschaftswahlen 2012 gegen Sarkozy gewinnen könnte. Fehlt nur noch ein Kandidat und ein Programm ...