Verhältnismäßigkeit: Karlsruhe missfällt Polizeieinsatz

Eingriff in die Pressefreiheit: Das Bundesverfassungsgericht rügt eine Durchsuchung beim Hamburger Radiosender "FSK".

November 2003: Kripobeamte beim Verlassen der FSK-Räume. Bild: Markus Scholz

Die Razzia beim linken Radiosender "Freies Sender Kombinat" (FSK) Ende 2003 war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch bekannt gegeben. "Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit schützt in seiner objektiven Bedeutung die institutionelle Eigenständigkeit des Rundfunk von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und der Meinung", schreiben die Verfassungsrichter in ihrem Beschluss vom 10. 12. 2010.

Auslöser des Polizeieinsatzes am 25. 11. 2003 war ein Interview gewesen, das der FSK-Reporter Werner Pomrehm mit dem damaligen Polizeipressesprecher Ralf Kunz geführt hatte - Thema: Polizeiübergriffe bei einer vorangegangenen Demonstration. Was Pomrehm nicht sagte: Er zeichnete das telefonische Interview auf, um es auszustrahlen.

Wegen der "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" drang Tage später die Polizei auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Billigung des Amtsgerichtes in die FSK-Redaktionsräume im Hamburger Schanzenviertel ein. Der Sendebetrieb wurde unterbrochen, damit keine Unterstützer mobilisiert werden konnten. Grundflächenskizzen und Lichtbilder der Redaktionsräume wurden angefertigt, Unterlagen beschlagnahmt. Den Ermittlern sei es um "Ausforschung und Einschüchterung" gegangen, sagt Carsten Gericke, Anwalt des FSK.

Vom Schutz der Rundfunkfreiheit sei auch die "Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit umfasst", erklärten nun die Richter. Diese verwehre es staatlichen Stellen grundsätzlich, "sich einen Einblick in Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung der Nachrichten oder Beiträge führen, die in der Presse gedruckt oder im Rundfunk gesendet werden". Unter das Redaktionsgeheimnis fielen "auch organisationsbezogene Unterlagen, aus denen sich Arbeitsabläufe, Projekte oder die Identität der Mitarbeiter einer Redaktion ergeben".

Im konkreten Fall wäre die "Tat zu gewichten" gewesen, findet das Verfassungsgericht: "Für die Schwere der Tat macht es einen erheblichen Unterscheid, welchen Grad der Vertraulichkeit der Sprecher erwarten durfte". Habe er von vornherein seine Äußerungen an die Öffentlichkeit gerichtet, bleibe die Aufzeichnung zwar grundsätzlich strafbar - aber weniger schwer, als wenn ein Gespräch zweier sich unbelauscht fühlender Personen heimlich aufgezeichnet worden wäre.

Für Anwalt Gericke ist der Spruch eine "Lehrstunde für Rundfunkfreiheit": Die Entscheidung mache die "Besonderheit der Maßnahme" deutlich: "Polizei und Staatsanwaltschaft, aber auch die Fachgerichte haben versagt und die Rundfunkfreiheit verkannt". Die betroffenen Behörden wollten sich zum Urteil nicht äußern.

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