Kolumne Über Ball und die Welt: Der Ball muss Bahrain!

Aus gutem Grund fürchten sich beinahe alle Diktatoren dieser Welt vor den Massen im Stadion. Der Fußball ist eine Idee, die zur materiellen Gewalt werden kann.

Auf dem Platz sind jüngst zwei Fußballer verhaftet worden. Es geschah in Bahrain. Vor den geschockten Profikollegen wurden Aala Hubail und sein Bruder Mohamed abgeführt. Der Grund ist, wie ein ungenannt bleibender Funktionär des bahrainischen Fußballverbandes der Agentur AP sagte: "Sie sind gegen die Regierung." Die Hubail-Brüder sind die großen Stars des Fußballs im Königreich. Nach der Asienmeisterschaft 2004 in China, wo Bahrain Platz vier geholt hatte, gewann Aala zusammen mit dem auch aus der Bundesliga bekannten Iraner Ali Karimi den goldenen Schuh des besten Torschützen. Und Aalas Bruder Mohamed, der mit ihm auch schon im WM-Gastgeberland Katar kickte, gilt als kaum weniger begabt.

Das hat die beiden nicht vor Verhaftung geschützt. Auch zwei Fifa-Schiedsrichter, zwei weitere Nationalspieler und insgesamt etwa 200 Sportler sind im Zusammenhang mit den Protesten verhaftet worden. Seit Februar dieses Jahres ist die arabische Monarchie Bahrain von Demonstrationen erschüttert. Es geht den Menschen um mehr Freiheit und bessere Lebensbedingungen. Das Regime ließ Panzer in der Hauptstadt Manama auffahren, Menschen wurden von der Polizei getötet.

Die bislang einzige Berührung von Sport und Protesten in Bahrain war, dass der Formel-1-Grand-Prix Mitte März ausfiel. Doch nun passiert mehr. In dem Land, in dem nur etwa eine Million Menschen lebt, finden sich - oft ausverkaufte - Fußballstadien für 30.000 Zuschauer. Wenn jetzt außer der Formel 1 auch die Bahraini Premier League im Fußball ausgesetzt ist und wenn auch viele Sportler auf die Straße gehen, steht das für eine neue, eine subversive Qualität des Sports. Als die Hubail-Brüder auch aus der Nationalmannschaft suspendiert wurden, begründete der Verband das so: "Die Suspendierung erfolgt wegen schlechtem Benehmen und dem Brechen der Regeln und Vorschriften der Vereine, sich nicht in politischen Angelegenheiten zu engagieren." Zur gleichen Zeit laufen sport-, vor allem fußballpolitisch die arabischen Kleinmonarchien zu großer Form auf: Nachbarland Katar richtet die Fußball-WM 2022 aus, und dessen oberster Funktionär, Mohamed Bin Hammam, will sogar neuer Fifa-Chef werden. Wie verlogen das angeblich demokratische Signal ist, das von den dortigen Eliten gesendet wird, offenbart sich in den aktuellen Polizeieinsätzen. Wenn es überhaupt einen glaubwürdigen Zusammenhang von Bahrain und Katar auf der einen Seite und der Durchsetzung von Demokratie im Sport auf der anderen Seite gibt, dann diesen: Die Länder könnten dereinst für Sepp Blatter und Bernie Ecclestone das werden, was das niederländische Doorn für Kaiser Wilhelm II. wurde - Exilort.

Was Aala und Mohamed Hubail gegenwärtig gemeinsam mit vielen anderen Demonstranten in Bahrain zeigen, ist, was Fußball kann: Aus gutem Grund fürchten sich beinahe alle Diktatoren dieser Welt vor den Massen im Stadion. Der Fußball ist eine Idee, die zur materiellen Gewalt werden kann, von Bob Marley stammt das kluge Diktum "Fußball ist Freiheit". Der amerikanische Publizist Dave Zirin fordert, dass jeder Fußballjournalist die Freilassung der Hubail-Brüder verlangen, jede Sportlergewerkschaft sich mit den 200 inhaftierten Athleten solidarisieren und jeder Fußballprofi, "der an die Idee von Fairplay glaubt", bei der königlichen Familie Bahrains protestieren muss.

Guido Westerwelle schlug jüngst der bahrainischen Regierung vor, den Dialog mit den Demonstranten zu suchen. Die US-Regierung ließ mitteilen, dass die Menschenrechtssituation in dem Land, das seit Jahrzehnten ihrer 5. Flotte einen Hafen gewährt, schwierig sei. Jenseits dieser Rhetorik wissen Fußballfans: Entscheidend is aufm Platz. Und: Der Ball muss Bahrain!

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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