WDR-Talk „Helge hat Zeit“: Jamsession in lockerer Folge
Nicht jeder versteht Helge Schneiders Humor – muss ja auch nicht. Denn vielleicht macht genau das seine neue Talkshow so entspannt.
Es gibt eine kleine, schöne Legende – die das Grundparadoxon des Mülheimer Komikers Helge Schneider wunderbar erklärt: An einem späten Aprilabend vor neun Jahren soll bei der Bochumer Polizei das Telefon geklingelt haben. Dran war eine verstörte Seniorin. Sie berichtete den Beamten von einen geistig verwirrten Mann, der vor dem Schauspielhaus stehe und im Licht zahlreicher Scheinwerfer wild gestikuliere.
Die angerückten Ordnungshüter durften feststellen, dass da Helge Schneider stand und gerade ein Interview für die Tagesthemen nach der Premiere seines Stücks „Mendy – das Wusical“ gab. Ob die Anekdote nun stimmt oder nicht, sie teilt treffend die Zuschauer (ob Kritiker oder Oma) des Multitalents (Schauspieler, Musiker und Autor) in zwei Lager: Es gibt jene, die seinen ästhetischen Anarchismus verehren, und jene, die regelmäßig am Versuch scheitern, den 57-Jährigen überhaupt zu verstehen.
Nun hat sich der WDR entschlossen, in den Diskurs einzusteigen, und mengt der langen Berufsliste von Helge Schneider noch ein bündiges Fernsehformat unter. „Helge hat Zeit“ heißt die Sendung samstagnachts, in der sich ebenjener als Talkmaster versuchen darf. Erst hieß es, es handele sich um ein einmaliges Experiment, mittlerweile ist aber klar, dass die mit „Menschen, Quatsch und Philosophen“ angereicherte Show in lockerer Folge fortgesetzt wird. Nach der Ausstrahlung sollen die Sendungen langfristig im Netz verfügbar sein.
Die Macher versprechen: „Ein Ruck wird durch Mozart und Peter Frankenfeld gehen.“ Der einzige Untote im Kölner Stadtgarten ist dann aber ein Unsterblicher. Geführt von der Puppenspielerin Suse Wächter darf der kreidebleiche „liebe Gott“ mit rauchiger Stimme Drafi Deutschers „Mamor, Stein und Eisen bricht“ im wohnzimmerartigen Studio intonieren.
Teekocher Bodo
Das passt prima zu Schneiders Leidenschaft – der sichtlich Freude am religiösen Kasperletheater hat – für das originär Absurde. Die Deus-ex-Machina-Satire ist eingebettet in einen flockig-leichten Abendplausch, den der neue Talkmaster nacheinander mit der Schriftstellerin Sibylle Berg, der Schauspielerin Sandra Hüller („Requiem“) und dem Komiker Kurt Krömer führt.
Weil die Atmosphäre im Fernsehen eben „ein bisschen steif“ ist, konterkarieren die zusammenhanglosen Gespräche herrlich sowohl die pseudopersönliche Smalltalkwut (Lanz) als auch die deutungsschwangere Politkeule (Maischberger) des alltäglichen Abendprogramms. „Wir sind nicht hier, um zu reden – wir haben Zeit“, gibt Schneider als Leitmotiv aus. Also stellt er Sibylle Berg seinen Teekocher Bodo vor, der im Kostüm eines Zirkusdirektors serviert. Die Autorin bekennt daraufhin, sie habe drei nackte von der Sorte zu Hause –„mit großen Dödels.“
Später begutachtet Schneider noch eine Klanginstallation des Künstlers Simon Rummel. Das orgelartige Gebilde mutet wie ein mutierter hölzerner Webstuhl an. Rummel: „Erinnert ein bisschen an Glenn Miller.“ Schneider: „Ich meine, Glenn Miller sah anders aus.“ Zwischen alldem darf die kalifornische Sängerin Butterscotch noch „Summertime“ von Gershwin beatboxen, und der Host parodiert makellos Günter Grass, der zu seinem 85. Geburtstag zahlreiche Prominente aus „Politik und Schuhgeschäft“ erwartet.
Jazz gibt es zwischendurch auch – der Musiker Schneider ist dem Komiker mehr als ebenbürtig. „Helge hat Zeit“ ist letztlich nichts anderes als eine äußerst unterhaltsame 75-minütige Synthese aus Jamsession und Improvisationstheater: locker, entspannt komisch. Verstehen wird das wieder nicht jeder. Es könnte also sein, dass am späten Samstagabend beim WDR das Telefon klingelt.
„Helge hat Zeit“, Samstag, 22.45 Uhr, WDR
Leser*innenkommentare
rockoko
Gast
Der Alte Opa neben Helge schneider muss ja Ur alt sein .
"Polizei Protestiert gegen Fellmütze" 24h-Liveshow, ist aber nicht zu toppen .
Eulenfeder
Gast
"Dieser Schneider" ist einfach gut, wenn nicht sogar der beste Komiker im Land. Der Leserkommentar von Fred K'heimer ist doch sicher ein von eben diesem Schneider eingeschmuggelter Gag, oder?
reblek
Gast
"Sie berichtete den Beamten von einen geistig verwirrten Mann..." - Oder von "einem"?
"Drafi Deutschers 'Mamor, Stein und Eisen bricht'..." - "Mamor"?
"Die Autorin bekennt daraufhin, sie habe drei nackte von der Sorte zu Hause –'mit großen Dödels.'" - Das ist sehr unwahrscheinlich, denn es ist anzunehmen, dass die alle drei lediglich "einen Dödel" haben, wenn auch vielleicht einen großen.
Erwin Lindemann
Gast
Als Helge-Fan der ersten Stunde muss ich sagen: noch nie einen derartigen Mist von ihm erlebt! So eine gequirlte und gequälte Scheisse! Dümmliche Gäste, stümperhaftes beatboxen, fade, öde, langweilig, inhaltsleer. Beim Pay-TV würde ich auf Kostenerstattung klagen. Warum Helge sich an einer derartigen Selbstdemontage aktiv beteiligt, wird mir ewig ein Rätsel bleiben - nochmal tue ich mir einen solchen Mist sicher nicht an!
Kein Kunde
Gast
@ Fred K'heimer
Schreiben Sie einfach eine kurze Mail an Volker Pispers, dieser wird sich dann dafür einsetzen, dass genau von ihren Zwangsgebühren nur das Programm bezahlt wird, welches Ihnen zusagt.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=IkanghXPnds#t=187s
Ralf K'rämer
Gast
Herr Fred K'heimer, Ihre Bewerbung als Talkgast bei "Helge hat Zeit" – und Zeit ist ja angeblich, das haben Sie sehr korrekt in Erinnerung, Geld – hätte nicht formvollendeter ausfallen können. Der Wahnsinn!
jazzfriend
Gast
toll, das - natürlich - der WDR mit diesem neuen Sendeformat Mut in einer mainstreamig langweiligen deutschen TV-Landschaft beweist! Die Verbindung von Talk, Musik (bitte viel Jazz), Quatsch und Jux ist toll. Ich freue mich auf die erste Sendung!
neubau
Gast
@Fred K'heimer: Vielleicht wäre es angebracht, Fernsehen auch als Unterhaltung anzusehen. "Gesindel" ist nicht gerade eine Kategorie, die Sie besonders menschenfreundlich erscheinen lässt. Was Fußballerverdienste mit Helge Schneider zu tun haben, ist auch nicht nachzuvollziehen.
Es gibt Reis, Baby!
Fred K'heimer
Gast
Wieso muß man jemanden wie diesem Schneider eine eigene Sendung geben? Ist das das letzte Aufgebot der Staatssender?
Und wieder einmal wird einem Mitglied der Gesindelgesellschaft die Möglichkeit gegeben, seinen Lebensunterhalt durch die GEZ-Zwangsverpflichteten sichern zu lassen. Die Selbstbedieung geht weiter.
Das System BRD: Viele zahlen und Wenige profitieren.
Komisch, die taz wird doch sonst auch sofort aktiv, wenn sich in der Wirtschaft angebliche Bereicherungen zeigen. Beim Promigesindel und bei Sportlern ist eine seltsame Zurückhaltung festzustellen. Wenn eine Wirtschaftsboss 20 Mio. im Jahr verdient, dann ist das selbstverständlich unverdient (obwohl das nur die Aktionäre zu bestimmen haben) und wenn Fußballer 20 Mio im Jahr verdienen, dann ist das keine Silbe wert.
Was kostet den GEZ-Zwangsverpflichteten die Schneider-Sendung? Ach so, über Geld sprechen chronisch bankrotte Journalisten nicht.
Na ja, der ganz normale Wahnsinn.