Ty-Segall-Konzert in Leipzig: Stairway to Heaven

Der kalifornische Youngster Ty Segall verzückte am Freitag bei seinem Konzert in Leipzig. Das Publikum dankte es ihm mit frenetischem Applaus.

Punkkonzerte haben ihre ganz eigene Atmosphäre. Bild: imago/STAR-MEDIA

Laut, kurz und direkt auf die Fresse. Das Konzert von Ty Segall dauert knapp eine Stunde, enthält wenig Show-Einlagen und nimmt die Zuschauer doch vom ersten Ton an mit. Dabei gehört der erste Ton noch zum Soundcheck. Es gibt keine Zeit zu verlieren: „Vielen Dank, dass wir hier sein können“, grüßt der Kalifornier, bevor er mit dem Stimmen seiner Gitarre im nahezu ausverkauften „UT Connewitz“ in Leipzig nahtlos zum Auftaktsong überleitet. Beiläufig erwähnt Segall, dass er diesmal nur für zwei Shows in Deutschland weilt. „Aber jetzt stehen wir ja auf der Bühne!“

Und schon sind wir mittendrin in den oktanhaltigen Punksongs, die nie länger als zweieinhalb Minuten dauern, was ihren Wahnsinn nicht mindert. Neben Segall an der Gitarre spielen eine dunkelhaarige, blasse Drummerin, die mit Handtasche auf die Bühne kommt und in die sich jeder und jede im Raum auf Anhieb verliebt, ein Bassist im extrakalifornischen Batik-T-Shirt sowie ein zweiter Gitarrist mit Surfhippie-Lockenpracht. Segalls T-Shirt ziert wiederum eine gemalte Couchpotato und er sieht ein bisschen aus wie der typische Loser einer HBO-Fernsehserie, der am Ende natürlich der Coolste von allen ist.

Zusammen dreschen sie auf ihre Instrumente, dass es die reinste Freude ist. Das Publikum tobt und pogt. Ein Mutiger versucht sich im Stagediving und wird bis in die hinteren Reihen durchgehoben. Junge Punks springen vorne an der Bühne hoch, hip gekleidete Mädchen wiegen sich im Takt und ein paar ältere Musiknerds wippen vergnügt mit dem Kopf. Ty Segall wurde unlängst als neues Wunderkind des US-Untergrunds bejubelt, sein aktuelles Album „Twins“ als verheißungsvolles Garage-Punk-Album gelobt. Es ist sein drittes Werk in einem Jahr, nachdem er zusammen mit der Band White Fence bereits „Hair“ veröffentlicht hat und unter dem Namen Ty-Segall-Band das Album „Slaughterhouse“. Seit vier Jahren macht der gerade 23-Jährige Musik, fünf Alben und diverse EPs und Kassetten sind bislang entstanden.

Das ist kein Wunschkonzert

Segall versteht sich auf Instant-Melodien, die lustvoll mit E-Gitarren-Riffs zerdeppert werden. Wenn man dieses Energiebündel aus der Nähe betrachtet, wie er bei jedem Song aus sich herausgeht, wird auch ersichtlich, dass er gar nicht anders kann, als in einer Garage punkige Rock-’n’-Roll-Songs zu schreiben. Dass Segall dabei die Musik nicht neu erfindet, stört wenig. Weil er all die Einflüsse auf den Siedepunkt bringt und wie nebenbei daraus etwas Neues schafft.

Die Zuschauer in den ersten Reihen des alten Lichtspieltheaters brüllen. „What?“, fragt Segall. Wieder Gebrüll. „What?“ Verschiedene Songtitel werden gerufen. „What?“ Noch mehr Gebrüll. „What? What? What?“ So geht das etwa 20 Mal, bis er dann doch den Song spielt, den er will. Ist schließlich kein Wunschkonzert. Sonst verzichtet er auf Ansagen, lässt die Riffs sprechen und schruppt stur die Songs runter.

Zwischendrin ein höflicher Dank an die Thüringer Vorband mit dem vielsagenden Namen Zentralheizung of Death, die Segall in Punkto Spielfreude in nichts nachstehen und jetzt in der ersten Reihe jubeln. Einen Typen im Publikum, der besonders wild springt und laut ruft, erwählt Ty Segall, um ihm speziell ein Liebeslied zu singen. „Komm mit mir nach oben!“, und verweist auf den Backstagebereich auf der Empore. Dorthin verziehen sich die vier Musiker samt Handtasche auch fast so schnell, wie sie gekommen, bis sie von der Menge wieder heruntergeklatscht werden.

Mit hoher fiepsiger Stimme intoniert Segall als Zugabe ein paar Zeilen von Led Zeppelins „Stairway to Heaven“, um dann in knapp 20 Sekunden den gesamten Song mit wenigen Akkorden und umso mehr Feedbackkrach zu zerstören. Langer Applaus!

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