Untersuchungsausschuss zur NSU: Schon lange ein Begriff

Bereits 2006 soll bei der Sonderkommission „Bosporus“ der Begriff NSU gefallen sein, sagt ein Ermittler aus. Ein Umdenken löste der Hinweis nicht aus.

Die NSU hatte ihn an die Audi-Fahrzeuge erinnert, so Ermittler Konrad P. Bild: reuters

MÜNCHEN taz | Am Dienstagmittag hat ein Ermittler vor dem Untersuchungsausschuss zur NSU im Bayerischen Landtag ausgesagt, dass der Begriff „Nationalsozialistischer Untergrund“ bei einer polizeilichen Besprechung gefallen wäre. Der Beamte der Sonderkommission „Bosporus“ führte aus, 2006 bei einer Sitzung der Spurensachbearbeiter, den Begriff gehört zu haben. Bewahrheitet sich die Aussage, dann bestätigt sie erneut, dass ein rechtsextremer Hintergrund der Morde an neun Ladenbesitzern türkischer und griechischer Herkunft sowie einer Polizistin nicht nachhaltig verfolgt wurde.

„Wenn vom NSU als nationalsozialistischem Untergrund bereits 2006 die Rede gewesen ist, wirft das ein völlig neues Licht auf die Ermittlungen und mögliche Versäumnisse“ kommentierte Susanna Tausendfreund, innenpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen, die Worte des Ermittlers.

Vor der 28. Sitzung des Ausschusses hatte sich der Kriminalhauptkommissar Konrad P. aus Rosenheim an die Landtagsabgeordnete Tausendfreund gewendet. Weil sie für ihn die „lokal zuständige“ Angeordnete sei, soll P. im Ausschuss gesagt haben und auch, dass er seine Wahrnehmungen Kollegen vom K 7 der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim mitgeteilt hätte.

Gegenüber dem Ausschuss konnte der Kriminalhauptkommissar nicht mehr genau rekapitulieren, wer von dem NSU gesprochen hatte, berichten die Grünen. Der Beamte habe aber noch gewusst, dass dieser Hinweis vom sächsischen oder thüringischen Verfassungsschutz gekommen sei. Er könne sich daran überhaupt noch so gut erinnern, weil ihm damals gleich die Assoziation zu Audi NSU und den NSU-Fahrrädern gekommen sei, soll er laut den Grünen hervorgehoben haben.

Organisierte Kriminalität als Ermittlungsansatz

Schon 2006, so P., wäre auch klar gewesen, dass die Spurenlage über die Tatwaffe hinaus Gemeinsamkeiten bei den einzelnen, nun dem NSU zugeordneten Morden aufzeigte. Ob die „rechte Schiene“ verfolgt werden sollte, will P. damals nachgefragt haben. Nach der Besprechung wurde ihm, so P., später per Telefonat mitgeteilt, dass einer „rechte Spur" nicht weiter nachgegangen werden sollte. Weiterhin sei Organisierte Kriminalität der Ermittlungsansatz, hieß es.

In der Sitzung, so die Grünen, habe P. zudem dargelegt, dass seine Erinnerung nicht so verstanden werden sollte, das schon damals dem NSU die Mordserie zugeschrieben wurde, es aber einen Zusammenhang zwischen der Gruppe und den Morden gegeben habe. P. schließt aus, sich falsch zu erinnern.

Im Verlauf der Sitzung konnte die Aussagen noch nicht verifiziert werden. Tausendfreund sagt: „Auch wenn es für mich derzeit keinen Grund gibt, an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen zu zweifeln, muss der Sachverhalt aufgeklärt werden, weil eine andere Zeugenaussage dem entgegensteht". Und die Grünen-Politikerin sagt weiter: „Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, welche Untiefen der Komplex NSU noch birgt". Der Vorgang müsste vollständig aufgeklärt werden.

In Kooperation mit Radio Lora München, www.lora924.de

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