Korruption in Spanien: Rajoy ignoriert die Wut

Tausende fordern den Rücktritt des spanischen Premiers wegen illegaler Finanzgeschäfte seiner Partei. Diese verhindert eine Fragestunde.

Sie fordern Rajoys Rücktritt. Bild: reuters

MADRID taz | Tausende von Menschen haben am Donnerstag Abend in über 40 spanischen Städten vor den Büros der konservativen Partido Popular (PP) von Regierungschef Mariano Rajoy demonstriert. „Rücktritt, Rücktritt“, riefen sie immer wieder, erbost über die 20 Jahre lange illegale Finanzierung der PP, wie sie der inhaftierte Ex-Schatzmeister Luis Bárcenas vor dem Ermittlungsrichter Anfang der Woche bestätigt hat.

Ein starkes Polizeiaufgebot riegelte in Madrid die PP-Zentrale weiträumig ab. In der Hauptstadt wurden zwei junge Demonstranten festgenommen. In Valencia traf es vier ältere Menschen, die sich weigerten, ihren Ausweis zu zeigen.

Regierungschef Rajoy ignoriert die Proteste ebenso wie die Anträge der Opposition, vor dem Parlament zu den schweren Korruptionsvorwürfen Stellung zu nehmen. Sieben Mal stimmte Rajoys absolute Mehrheit gegen eine solche Fragestunde.

Die größte Oppositionspartei, die sozialistische PSOE, will deshalb einen Misstrauensantrag gegen Rajoy einbringen. „Ich will nicht Regierungschef werden“, erklärt Parteichef Alfredo Pérez Rubalcaba wohlwissend, dass ein Misstrauensantrag an den Mehrheitsverhältnissen scheitern wird. „Ich will, dass der Regierungschef vor dem Parlament erscheint und Erklärungen abgibt. Die Spanier haben das verdient“, fügt er hinzu.

Die PSOE setzte Rajoy eine Frist. Am kommenden Mittwoch tagt der ständige Ausschuss des Parlaments erneut. Wenn die PP dann wieder einen Antrag auf Befragung Rajoys verhindert, wird das Misstrauensvotum eingeleitet.

Neues vom Ermittlungsverfahren zum Frühstück

Die Spanier frühstücken jeden Tag mit neuen Nachrichten aus dem Ermittlungsverfahren. Nach und nach sickert der Inhalt der Dokumente durch, die Bárcenas Ermittlungsrichter Pablo Ruz vom obersten spanischen Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional, übergeben hat. Nicht nur, dass führende Parteifunktionäre - unter ihnen auch Rajoy selbst - über Jahre aus illegalen Großspenden mit Umschlägen voller Schwarzgeld bedacht wurden. Ganze Landesverbände der PP finanzierten Wahlkämpfe, Kongresse und wohl auch Gebäude aus der Kasse "B".

Zu den Spendern gehören die großen Baufirmen des Landes. Unter ihnen sollen auch so illustre Unternehmer wie ACS-Chef und Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez sein. Es sind die gleichen Unternehmen, die anschließend lukrative, öffentliche Aufträge erhielten.

Im von Rajoys rechter Hand, der PP-Generalsekretärin Maria Dolores Cospedal, regierten Castilla-La Mancha soll ein Bauunternehmen 200.000 Euro in die Wahlkampfkasse gezahlt haben und dafür von der Stadt Toledo mit einem millionenschweren Bauprojekt bedacht worden sein.

In Galicien halfen mehrere Bauunternehmen der dortigen PP unter dem mittlerweile verstorbenen Partei-Gründer und Ex-Franco-Minister Manuel Fraga nach dessen Wahlniederlage 2005 aus finanziellen Nöten. Und selbst hohe Militärs konnten auf die schwarzen Kassen der PP setzen. So übernahm Bárcenas die Anwaltskosten für sechs hohe Offiziere. Diese wurden angeklagt, nachdem ein schlecht gewartetes, ukrainisches Leihflugzeug 2003 mit 62 spanischen Soldaten und 13 Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Flug von Afghanistan nach Spanien über der Türkei abstürzte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.