Samstagskrimi „Kommissarin Lucas“: Bitter im Abgang
Die Kinder einer Pharmamanagerin werden entführt. Die Spur führt zu illegalen Medikamententests an Kindern. In „Bittere Pillen“ ist das Böse erschreckend banal.
Beraubt man eine vermeintlich unschuldige Szene ihrer Naivität, wirkt das Böse besonders brutal. Ein einfaches Stilmittel, es funktioniert auch hier: Sachte spielt der Herbstwind mit den Kinderschaukeln im Garten von Pharmamanagerin Eva Steiner (Nina Kunzendorf). Ein friedliches Bild – ein grausames Bild, das der Pharmafrau ein leises Keuchen abringt. Wo sind die Kinder hin?
Weg sind die Kinder. Entführt vom Schwager der Mutter, der sie jetzt um drei Millionen Euro Lösegeld erpresst. Doch der Entführer war nicht nur ihr Schwager, er war vor allem auch ihr wichtigster Mitarbeiter: Als Leiter der Forschungsabteilung sollte er die Zulassung eines neuen Antibiotikums durchboxen.
Dass sich die Mädchen, trotz peinlich scheiternder Lösegeldübergabe, recht bald unversehrt wieder anfinden, versteckt im Gasthof nebenan, nur ein wenig Schlafmittel im Kakao, ist nicht die Lösung im neuen Fall von „Kommissarin Lucas“ (Ulrike Kriener). Sondern der Auftakt zu einer menschlichen Tragödie, deren Triebkräfte ermüdend banal sind. Und angesichts der Opfer, die sie fordern – es geht um illegale Medikamententests an indischen Kindern –, umso brutaler wirken: Profitstreben, Erfolgsdruck, verwehrte Anerkennung.
„Kommissarin Lucas: Bittere Pillen“; Sa., 20.15 Uhr, ZDF; Regie: Stefan Kornatz; Buch: Christian Jeltsch; Kamera: Martin Farkas; mit Ulrike Kriener, Michael Roll, Alexander Lutz, Anna Brüggemann, Nina Kunzendorf, Anke Engelke.
Mit Letzterem hat vor allem Lucas’ Mitarbeiter Martin (glaubwürdig verzweifelt: Alexander Lutz) zu kämpfen, der ewig Übergangene bei Beförderungen, der irgendwie, vielleicht auch deswegen, in dem Fall mit drinhängt.
Kleine vergiftete Pillen streut Regisseur Steffen Kornatz in den Fall. Manche sind nur ein wenig bitter im Abgang, die Nichtbeförderung, das Leben eben. Da ist der Nachgeschmack von an Kindern getestetem Antibiotikum schon ungleich übler. Der bleibt auch beim Zuschauer hängen – trotz oder gerade wegen des einschlägigen Motivs in dem recht konventionell gestrickten Fall. Wenn das Böse banal ist, erschreckt es eben umso mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?