Skandinavische TV-Serien: Alle Macht den Autoren

Am Donnerstag startet die dritte Staffel der dänischen Serie „Borgen“. Wie kriegen die Skandinavier so viele erfolgreiche Produktionen hin?

In „Borgen“ wird erzählt, nicht erklärt – auch die Geschichte des aktuellen Parteivorsitzenden der „Moderaten“. Bild: ARTE France / © Mike Kollöffel/DR

Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen) muss raus aus ihrer teuren Wohnung. Die konnte sie sich nur leisten, weil sie nicht mehr in der Politik war. Als ehemalige Ministerpräsidentin verdient man halt besser als zu Amtszeiten – mit Vorträgen, als Beraterin. Fragen Sie mal Peer Steinbrück, wie viel Kohle man damit macht. Gut, dass der jetzt wieder in Ruhe das große Geld verdienen kann.

Nyborg kann das nicht. Sie hat sich entschieden, wieder voll in der Politik mitzumischen – und das bedeutet erst einmal, sich in Verzicht zu üben, sie muss wieder Durchschnittsdänin sein. Da kommen teure Uhren nicht gut an. Also nimmt ihre Beraterin sie ihr vor einem Auftritt lieber ab.

„Borgen“ ist zurück. Die dritte Staffel der Serie über die politischen Verstrickungen in Dänemarks Politik läuft ab Donnerstag in Doppelfolgen bei Arte (21 Uhr). Und nur wenig ist noch so, wie es am Ende der zweiten Staffel war: Nyborg hat die letzten Wahlen verloren, sie hat einen neuen Freund, ist nicht mehr Chefin der fiktiven Partei Die Moderaten.

Journalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen) und Spin Doctor Kasper Juul (Pilou Asbæk) haben mittlerweile ein Kind, aber keine Liebesbeziehung mehr. In Dänemark basteln die Konservativen am kollektiven Rechtsruck. So viel darf verraten werden, schließlich sind all diese Fakten innerhalb der ersten Minuten der neuen Staffel abgehandelt – und zwar typisch skandinavisch: ganz unaufgeregt.

Genau das ist auch eine der Stärken von „Borgen“: In der Serie von Erfinder und Autor Adam Price wird erzählt, nicht erklärt. Price nutzt die Möglichkeiten des in seiner jetzigen Form doch relativ jungen Genres TV-Serie konsequent aus: Langes und manchmal auch langsames Storytelling; Figuren, die sich entwickeln; und ein Zuschauer, der manches Puzzlestück eigenhändig ins große Bild einfügen muss.

Bisschen Politthriller, bisschen Sozialdrama

Das alles verpackt in einer Story, die ein bisschen Politthriller und ein bisschen Sozialdrama ist. Das funktioniert. Nicht nur im kleinen von Schloss Christiansborg aus regierten Dänemark, sondern mittlerweile in 70 Ländern.

Skandinavische Serien boomen: „Die Brücke“ wurde gar in den USA sowie in Großbritannien und Frankreich neu verfilmt. Auch „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“ erfuhr mit „The Killing“ ein US-amerikanisches Remake. Innerhalb des dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks DR gilt mittlerweile die internationale Durchschlagskraft als wichtigerer Gradmesser für den Erfolg einer Serie als die heimische TV-Quote.

Für DR-Produzentin Camilla Hammerich, die auch „Borgen“ verantwortet, liegt das vor allem an den Drehbüchern und deren Schreibern. „Der Autor ist das Herzstück, das innere Geheimnis des Erfolgs“, sagte sie vor der Ausstrahlung zu Arte. Hammerichs ehemaliger Abteilungsleiter Ingolf Gabold drückt es noch drastischer aus: Die Drehbuchautoren seien wie Könige zu behandeln.

DR stellt Autoren – auch „Borgen“-Macher Adam Price – deshalb fest an, schafft Kreativräume, lässt möglichst wenige Menschen an den Büchern mitarbeiten und versucht so viel Budget wie möglich selbst aufzubringen, um so das Reinreden von Koproduzenten zu verhindern. Das klappt zwar nicht immer: Bei „Die Brücke“ produzierte beispielsweise das ZDF mit, auch bei „Kommissarin Lund“ zahlten die Mainzer ihren Teil. Entwickelt wurden beide allerdings in Schweden beziehungsweise Dänemark.

„Borgen“, ab Donnerstag, 3. Oktober, 21 Uhr auf Arte.

Bei „Borgen“ blieben die Dänen ihrem Dogma aber treu und somit unter sich: DR stemmte fast 90 Prozent der Produktionskosten, Price bekam viele Freiheiten – und herausgekommen ist wieder ein dichtes, spannendes Werk. Bei „Borgen“ wird sich DR übrigens auch in einem anderen Punkt treu bleiben: Nach der dritten Staffel ist Schluss. Leider.

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