Kolumne Darum: Der Gevatter Hormon

Wie einmal der liebe Gott scheiterte, der Tod die Akne besiegte und einem Erwachsenen richtig Angst gemacht wurde. Ein Pubertätsmärchen.

Reserviert für Gevatter Hormon: Parkplatz des Grauens. Bild: photocase / healifix

Es war einmal ein armer Mann, der hatte zwei Kinder. Wie das erste in die Pubertät ging, wusste er sich nicht mehr zu helfen, und lief in seiner Not hinaus in den Wald. Da begegnete ihm der liebe Gott und sagte: „Du dauerst mich, armer Mann, ich will dir dein Kind aus der Pubertät heben und für es sorgen, da wird es erwachsen auf Erden.“

Der Mann antwortete: „Ich will dich nicht zum Gevatter, du gibst den Kindern und lässt die Pubertierenden unter Hormonen leiden“; damit ließ er ihn stehen und ging weiter.

Bald darauf begegnete ihm der Tod, der sprach gleichfalls zu ihm: „Ich will dein Gevattersmann werden, und dein Kind heben; wenn es mich zum Freund hat, da kann's ihm nicht fehlen, ich will es zu einem Erwachsenen machen.“ Der Mann sagte: „Das bin ich zufrieden, du machst keinen Unterschied und holst die Kinder wie die Pubertierenden; morgen ist Sonntag, da wird das Kind hormonell bedingt gar garstig, stell dich nur zu rechter Zeit ein.“

Am andern Morgen kam der Tod, machte das Kind erwachsen und nahm seinen Paten mit in den Wald; da sprach er zu ihm: „Jetzt bist du erwachsen; du brauchst nur Acht zu geben, wenn du zu einem Pubertierenden gerufen wirst und du siehst mich zu seinem Haupte stehen, so hat's nichts zu sagen, lass ihn dann an dieser Flasche riechen, und salb ihm die Pubertätsakne damit, so wird er bald auch erwachsen sein; steh ich aber zu den Füßen, dann ist's aus, dann will ich ihn ewig hormongeschüttelt haben.“

Der Ruf des Königs

Damit gab der Tod ihm die Flasche, und er ward ein berühmter Erwachsener; er brauchte nur den Pubertierenden zu sehen, so sagt' er schon voraus ob er erwachsen werde oder weiter unter Hormonen leiden müsse.

Einmal ward er zum König gerufen, der an einer schweren Pubertät darnieder lag; wie der Erwachsene eintrat, sah er den Tod zu Füßen des Königs stehen, und da konnte seine Flasche nichts mehr helfen. Doch fiel ihm ein, er wollte den Tod betrügen, packte also den König an, und legte ihn verkehrt, sodass der Tod an seinem Haupte zu stehen kam; es glückte und der König wurde erwachsen.

Wie der Erwachsene aber wieder zu Haus war, kam der Tod zu ihm, machte ihm böse grimmige Gesichter und sagte: „Wenn du dich noch einmal unterstehst mich zu betrügen, so dreh ich dir den Hals um.“ Bald danach ward des Königs schöne Tochter hormonell gebeutelt, niemand auf der Welt konnte ihr helfen, der König weinte Tag und Nacht, endlich ließ er bekannt machen, wer sie kurieren könne, der solle sie zur Belohnung haben.

Da kam der Erwachsene und sah den Tod zu den Füßen der Prinzessin stehen, doch weil er vor ihrer Schönheit ganz in Erstaunen war, vergaß er alle Warnung, drehte sie herum und ließ sie an der heilenden Flasche riechen und salbte ihr die Pubertätsakne.

Kaum war er wieder zu Haus, da stand der Tod mit einem entsetzlichen Gesicht vor ihm, packte ihn, und trug ihn in eine unterirdische Höhle, worin viel tausend Lichter brannten. „Siehst du, sagte der Tod, das sind alles Pubertierende, und hier das Licht, das aus ist und gleich wieder angehen könnte, das wäre dann deine Pubertät; hüt' dich!“

Frei nach „Der Gevatter Tod“, Märchen der Brüder Grimm, 1812, Erstausgabe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.