Kommentar Prokon vor der Insolvenz: Kapitalismuskritik als Sedativum

Eine Ökostromfirma, die hohe Zinsen auszahlt, viel Werbung macht und kein Geld bei Banken holt: seltsam. Prokons Anleger hätten aufpassen müssen.

Sitz von Prokon in Itzehohe: Von hier wurden die Schreiben gesendet, die die Anleger von der Insolvenz gewarnt haben. Bild: dpa

Alle Warnlampen hätten im Fall Prokon bei potenziellen Anlegern glühen müssen. Vor allem durch die geballte Präsenz von Prokon-Werbung. An der auf erneuerbare Energien spezialisierten Firma kam man schlicht nicht vorbei. Sei es durch regelmäßige unerbetene Post, in der das Unternehmen sich als „äußerst erfolgreich“ pries. Sei es durch Plakate in Bussen, selbst auf abgelegenen Linien. Bezahlt mit wessen Geld? Eben.

Dass zugleich noch jährlich Zinsen in Höhe von bis zu 8 Prozent ausgeschüttet wurden, machte das Ganze nicht vertrauenswürdiger. Zumal sich in solchen Fällen immer die Frage aufdrängt, warum die Firma sich nicht billigeres Geld von der Bank holt. Naheliegende Antwort: weil sie dort keines mehr kriegt.

Um genau diesen Eindruck zu zerstreuen, versuchte Prokon, das Ganze als Lebensphilosophie zu verkaufen: Man wolle eben nicht mit der „Finanzindustrie“ paktieren, lehne deren „ asoziales Verhalten“ ab. In der Sache ist diese Distanzierung zwar nicht unsympathisch. Überraschend ist sie gleichwohl vor dem Hintergrund, dass es durchaus ethisch agierende Banken gibt, die keine globalen Zockerbuden sind. So liegt der Verdacht nahe, dass Kapitalismuskritik bei Prokon auch als Sedativum für die Anleger missbraucht wurde.

Aber es kommt noch drastischer. Die wohl unmissverständlichste Warnung hätte eine Entscheidung vom vergangenen Mai sein müssen: Prokon beschloss, sich fortan „die Arbeit und vor allem die Zeit für die Beantwortung von Presseanfragen zu sparen“, statt endlich den stetig kursierenden Verdacht auszuräumen, die Firma betreibe ein Schneeballsystem. Dabei wissen kritische Beobachter: Wer sich der Presse verschließt, hat etwas zu verbergen – das ist bei Firmen nicht anders als bei politischen Regimen.

Zu hoffen ist nun, dass der Fall Prokon den Anlegern im sogenannten Grauen Kapitalmarkt endlich die Naivität austreibt. 8 Prozent Rendite gibt es eben nicht ohne ein gehöriges Risiko. Und deswegen wird in den nächsten Jahren wohl noch manche Geldanlage mit hohen Zinsversprechen platzen. Gegen die Investition in erneuerbare Energien spricht das freilich nicht – sondern allein dafür, sich eher nach lokalen Bürgerenergiegenossenschaften umzusehen, als bundesweiten Geldsammlern mit hohen Prozentversprechen zu folgen.

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