piwik no script img

Rechtsextreme in PostlowViel Rückhalt für Neonazi

Die NPD-Hochburg Postlow macht einen Rechtsrocker zum Feuerwehrchef – obwohl ein Erlass des Innenministeriums genau dies verhindern soll.

Wird das Naziproblem nicht los: Postlow. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Entscheidung ist eine Provokation – jedenfalls aus Sicht der Landesregierung in Schwerin: Der Gemeinderat in Postlow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) hat am Mittwochabend einstimmig die Wahl des rechtsextremen Kommunalpolitikers und Musikers Ralf Städing zum Chef der Freiwilligen Feuerwehr bestätigt.

Der parteilose Bürgermeister des Ortes, zugleich Amtsvorsteher der Region Anklam-Land, sagte laut einem Bericht des Nordkuriers: Ob Städing in einer vom Innenministerium als rechtsextrem eingestuften Band spiele oder nicht, sei ihm „vollkommen egal“.

Nach der Versammlung soll der Bürgermeister einen Reporter der Lokalzeitung eingeschüchtert haben: „Mich hätte das heute Abend nicht gewundert, wenn ihr Auto hier abgebrannt wär.“ Das Blatt hatte im Vorfeld der Sitzung kritisch über den Fall und die rechtsextremen Verstrickungen Städings berichtet.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bedauerte die Wahl. „Eine andere Entscheidung wäre möglich gewesen“, sagte er am Donnerstag. Es sei fraglich, ob Städing „die erforderliche Eignung für die Ernennung zum Ehrenbeamten“ besitze.

Der Minister hatte 2007 eigens einen „Radikalenerlass“ eingeführt, um vergleichbare Personalien zu verhindern. So gelten „Wehrführer“ in Mecklenburg-Vorpommern als „Ehrenbeamte“. Sie sind laut Innenministerium beamtenrechtlich verpflichtet, „durch aktives Handeln für die Verfassungsordnung ein- und damit extremistischen, verfassungsfeindlichen Anschauungen entgegenzutreten“.

Landrätin kündigt Überprüfung an

Der neue Postlower Feuerwehrchef wird von Sicherheitsbehörden jedoch der Neonazi-Band „Wiege des Schicksals“ zugerechnet. Die Band trat unter anderem 2012 beim „Pressefest“ der Deutschen Stimme auf, einem der wichtigsten Neonazitreffen bundesweit.

Das Schweriner Innenministerium listete kürzlich in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken diverse Straftaten auf, die von Mitgliedern der Band begangen worden seien, darunter besonders schwerer Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Waffengesetz, Volksverhetzung.

Vor der letzten Kommunalwahl hatte die örtliche rechtsextreme Szene explizit für Städing als „unabhängigen nationalen Kandidaten“ geworben, der gelernte Straßenbauer zog als parteiloser Kandidat in das Postlower Lokalparlament ein. In Postlow, einer kleine Gemeinde kurz vor der polnischen Grenze, erzielt die NPD seit Jahren überdurchschnittlich gute Ergebnisse. Bei der Landtagswahl 2006 gelang der NPD dort sogar das Rekordergebnis von 38 Prozent.

Die Rechtsaufsicht in dem aktuellen Fall liegt beim Landkreis Vorpommern-Greifswald. Die Landrätin kündigte am Donnerstag an, die umstrittene Ernennung juristisch zu überprüfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • T
    Tatzelbrumm

    Klug ist und Herr über manche Gefahr,

    Wenn er bedenkt, was er sieht,

    Der Mensch.

    Aufmerkenden Geistes vernimmt er

    Zeichen des Unheils

    Zeitig genug, wenn er will.

     

    Was aber, wenn er nicht will?

     

    Der, um zu wissen, was droht, Zeitungen liest

    Täglich zum Frühstück entrüstet Über ein fernes Ereignis,

    Täglich beliefert mit Deutung, Die ihm das eigene Sinnen

    erspart, Täglich erfahrend, was gestern geschah, Schwerlich

    durchschaut er, was eben geschieht Unter dem eigenen Dach: -

     

    Unveröffentlichtes!

     

    Offenkundiges.

     

    Hanebüchenes!

     

    Tatsächliches.

     

    [Zitat aus irgend so einem Theaterstück von Max Frisch ... "Biedermann" oder so ähnlich]

  • F
    FROST

    Der Sittenvefall des Systems macht erst Nazis müglich!

  • W
    Wassermarsch

    Etwas für die Gemeinschaft zu tun, ist eine ehrenvolle Aufgabe. Wenn der Ortsbrandmeister daneben singt -soll er doch - Hauptsache er säuft nicht.

  • DD
    die da oben

    Im Nordkurier-Kommentar weist Autor Frank Wilhelm auf die seit der Wende bestehende Arroganz und Mitverantwortung der etablierten Parteien hin, sie erweisen sich einmal mehr als Steigbügelhalter von Rechtsextremen in der Provinz:

     

    "Weniger die Haltung des Bürgermeisters ist aber das Problem, sondern vielmehr der komplette Rückzug von SPD, CDU und Linke. Abgesehen davon, dass diese Parteien in der Gemeindevertretung keine Rolle spielen, ließen sich auch kein Kreistagspolitiker, kein Landtagsabgeordneter bei der Sitzung blicken. Es passt zum Bild, dass Landkreis und Innenministerium erst durch die Medien – Nordkurier und NDR – auf das Thema aufmerksam wurden."

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ein Rechstradikaler als Feuerwehrchef. Wie praktisch. Wenn seine Gesinnungsgenossen Flüchtlingsheime in Brand stecken, kann er die Feuerwehr in die andere Richtung schicken.

    • M
      Marcel
      @774 (Profil gelöscht):

      Super getroffen

    • @774 (Profil gelöscht):

      Ein interessanter Aspekt in der ganzen Angelegenheit ist, dass nun gerade heute die Landrätin (die die Ernennung überprüfen soll) eine Unterlassungerklärung der NPD unterschrieben zu haben scheint. Darin verpflichtet sie sich, einen offenen Brief nicht mehr weiter zu verbreiten, in dem sie die Nazi-Partei unter anderem zutreffenderweise als "zutiefst menschenverachtend und demokratiefeindlich" beschrieben hatte. Tja, vielleicht gibt's in Vorpommern demnächst nicht nur einen Nazi-Wehrführer, sondern auch einen ersten NPD Bürgermeister - ausgerechnet in Pasewalk.

  • J
    jawollja

    Wieder eine Mauer drumherum bauen, dann sind sie schön unter sich. Dann in der national befreiten Zone am besten den ganzen unteutonischen Unrat abschaffen wie lateinische Buchstaben, arabische Zahlen, die meisten Früchte und eingewanderten Gemüsesorten wie z.B. Kartoffeln, Tomaten, Gurken, Elektrizität (hat so ein Ami endeckt), Geld, Banken, Internet, Penizilin, etc.pp. Dann kann man wieder in Ruhe in teutschen Höhlen wohnen und mit der Keule auf die Jagd gehen

    • O
      Ostdeutsche
      @jawollja:

      Wieder eine Mauer drum herum bauen?

      Ja klar..weil ja alle Ossis Nazis sind

      Solch ein Kommentar zeugt davon, dass Ihr Horizont auch nicht grade sehr weit geht...traurig!

      Aber dann können Sie sich ja gleich mit "einmauern".

    • C
      cosmopol
      @jawollja:

      Die heutige moderne Schreibweise (Antiqua-Schriften) hat übrigens der alte Adolf damals endgültig in Deutschland eingeführt... und die "teutonische" Fraktur, die Neonazis heute so gerne benutzen, für Amtssachen verboten. Die war ihm nämlich nicht modern genug.

       

      Die bosnischen Divisionen der Waffen-SS setzten sich zu großen Teilen aus Muslimen zusammen.

       

      Die Coca Cola Company hat im Einverständnis mit dem Regime ein "arisches" Zuckerwasser für den deutschen Markt kreiert: Fanta.

       

      und dergleichen mehr...

      So einfach wie du dir das machst, war es schon damals nicht. ;)

      • J
        jawollja
        @cosmopol:

        ich denke mal, für den mentalen Horizont der im Artikel genannten ist es einfach genug :-O

  • Postlow- nicht nur auf der Karte ganz rechts außen.

    Hier werden künftig manche Häuser schneller und länger brennen als andere.

    • W
      Werner
      @vic:

      und der erste Faschist hatt sich schon zu Wort gemeldet

    • EB
      ernst bier
      @vic:

      Genau daran musste ich beim Lesen auch denken.

    • PL
      Préparez l'emigration
      @vic:

      Ganz, wie die "Wiege des Schicksals" es wohl verheißen lässt.

      Wäre das nicht so unfassbar traurig, wäre es tatsächlich einen Lacher wert.

       

      Aber der Herr Mielke scheint alles ja doch recht geil zu finden, wenn nur Laberrabarber und "is' mir egal" bei rum kommt.

    • C
      CommunismKills
      @vic:

      Jaja, Hauptsache Gewalt.

      • @CommunismKills:

        Wie bitte?

        • C
          CommunismKills
          @vic:

          Mir kamm das wie ein Aufruf zu Brandstiftung gegen "Rechts" vor, oder sollte ich mich da täuchen?

          • @CommunismKills:

            Letzteres.

          • GR
            Gegen Rechts
            @CommunismKills:

            Ich verstehe es so, dass er meint, dass die Feuerwehr bei bestimmten Häusern nicht löschen kommt oder sehr spät.

             

            Also kein Aufruf.

  • Wenn es bei Migraten brennt (sofern es in Postlow überhaupt welche gibt), wird dann wohl in Zukunft nicht mehr gelöscht werden.

  • A
    Arne

    Viel Glück der Landrätin, dass zu verhindern.

     

    Wobei es mir eigentlich lieber wäre, wenn irgend so ein Kaff dort mit 30% NPD-Wählern sein Personal selbst bestimmen kann.

     

    Nur möchte ich dann allmählich mal Einfluß auf meinen Solidaritätsbeitrag haben. In solche ein Kaff darf kein Cent davon gehen.

  • P
    PeerHiero

    Zitat:>>...Bei der Landtagswahl 2006 gelang der NPD dort sogar das Rekordergebnis von 38 Prozent. ..

  • S
    salvia

    Also, Postlow liegt vor Anklam, und Anklam ist mitnichten "kurz vor der polnischen Grenze" sondern bestimmt noch 50km weg.

    Gefühlt spielt Polen bei Anklam schon gar keine Rolle mehr.