Drohender Staatsbankrott der Ukraine: Hilfspaket geplant

Die Ukraine steht finanziell am Abgrund. Ohne Interimsregierung wird es aus dem Westen kein Geld geben. Die USA warnen vor neuem „West gegen Ost“.

Die Ukraine benötigt eine Finanzspritze von 25 Milliarden Euro, um über das Jahr zu kommen. Bild: ap

WASHINGTON/KIEW dpa/afp/rtr | Für US-Außenminister John Kerry hat die Krise in der Ukraine das Verhältnis zwischen den USA und Russland nicht beeinflusst. Die Entmachtung des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und die internationale Reaktion auf die Geschehnisse in dem Land sollten nicht als ein „Westen gegen den Osten“ verstanden werden, sagte Kerry am Dienstag bei einem Zusammentreffen mit dem britischen Außenminister William Hague in Washington. Die USA wollten mit Russland und anderen Ländern daran arbeiten, dass es in der Ukraine künftig friedlich bleibe.

Auch angesichts eines drohenden Staatsbankrotts konnten sich die bisherigen Oppositionsgruppen in der Ukraine nicht auf eine Übergangsregierung einigen. Das Parlament verschob die geplante Abstimmung kurzfristig auf Donnerstag. Die neue Führung ist vor allem uneins darüber, welches Mitspracherecht die Aktivisten vom Unabhängigkeitsplatz Maidan nach dem Umsturz bekommen sollen.

Eines der vordringlichsten Probleme ist die Finanzlage des Landes. Die Ukraine braucht offenbar weit mehr Geld als gedacht. Die von Übergangspräsident Alexander Turtschinow genannten rund 25,5 Milliarden Euro reichten kaum bis Jahresende, sagte Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.

Russland stellte erneut weitere Finanzhilfen für Kiew infrage. Moskau sei „nicht verpflichtet“, die restlichen Mittel aus dem im Dezember vereinbarten 15-Milliarden-Dollar-Paket freizugeben, sagte Vize-Finanzminister Sergej Storschak in Moskau.

Zu Reformen verpflichten

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn unterstützt die Idee einer Geberkonferenz für die Ukraine. Dies würde den EU-Mitgliedsländern erlauben, Geld für ein bedeutendes Hilfspaket zusammenzubringen, sagte der Finne am Dienstag in Straßburg. „Die EU ist bereit, der Ukraine zu helfen, parallel zu einem (Hilfs-)Programm des IWF“, sagte Rehn mit Blick auf den Internationalen Währungsfonds in Washington.

IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in der Stanford Universität in Kalifornien am Dienstag, der IWF habe einen Vertreter vor Ort, der die Lage in den nächsten Tagen bewerten werde. Der Währungsfonds werde wahrscheinlich in Kürze Unterstützung leisten, wenn das IWF-Mitgliedsland Ukraine darum bitte, erklärte Lagarde.

Wie die Außenbeauftragte Catherine Ashton nannte Rehn die Bildung einer neuen Regierung als Vorbedingung für internationale Hilfe. Die neue Regierung müsse sich zu wirtschaftlichen Reformen verpflichten. Rehn nahm nicht zu Beträgen möglicher Hilfe Stellung.

Ashton verlangte auch einen mit internationalen Organisationen abgesprochenen Wirtschaftsplan. Die EU-Chefdiplomatin sagte: „Die starken Verbindungen zwischen der Ukraine und Russland dürfen nicht beschädigt werden.“

Das Außenministerium in Kiew betont unterdessen den Willen zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen mit Russland. Wie die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass unter Berufung auf eine Mitteilung auf der Internetseite des ukrainischen Außenministeriums in der Nacht zum Mittwoch berichtete, will Kiew nach der Bildung einer neuen Regierung den Dialog mit Moskau wieder aufnehmen.

Prozess gegen Janukowitsch gefordert

Das Parlament in Kiew forderte den Internationalen Strafgerichtshof am Dienstag mit Nachdruck auf, dem entmachteten Präsidenten Viktor Janukowitsch wegen der Gewalt gegen Demonstranten den Prozess zu machen. Das Den Haager Tribunal müsse die Verantwortlichen für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ermitteln, hieß es.

Die ukrainische Staatsanwaltschaft schrieb den untergetauchten Janukowitsch zur Fahndung aus - wegen des Verdachts auf Massenmord. Weiter war unklar, wo sich Janukowitsch aufhält.

Wegen ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen die Proteste ist die Bereitschaftspolizei Berkut aufgelöst worden. Die Spezialeinheiten seien mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, teilte der Übergangsinnenminister Arsen Awakow am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite mit. Die Berkut-Einheiten sind bei der Opposition wegen ihrer Rolle verhasst, die sie bei den Straßenkämpfen in Kiew spielten, bei denen vergangene Woche 82 Menschen getötet worden waren.

Insgesamt kamen bei den Straßenschlachten seit November Schätzungen zufolge fast 100 Menschen ums Leben, zudem gab es rund 2000 Verletzte.

Timoschenkos Kandidatur fraglich

Drei Monate vor der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl begann die Registrierung der Kandidaten. Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko will antreten. Eine allgemein erwartete Kandidatur von Oppositionsführerin Julia Timoschenko bei der Präsidentenwahl ist fraglich.

Jewgenia Timoschenko, die Tochter der 53-Jährigen, sagte am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin, es sei noch nicht gewiss, ob ihre Mutter eine politische Position anstreben werde. Die an einem Rückenleiden erkrankte Timoschenko müsse nach ihrer Haftentlassung erst einmal in eine Reha-Klinik im März. „Und dann müssen wir weitersehen.“

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