Debatte Geldwäsche: Paladin des globalen Finanzbusiness
Geldwäsche wurde als Mitursache der europäischen Finanzkrise genannt – das war praktisch. Bekämpfen wollen sie alle, heißt es. Wie, ist umstritten.
N icht mehr lange, dann werden die Staaten der EU sich daranmachen müssen, ihre nationalen Vorschriften in Sachen Geldwäsche anzugleichen. Denn am 11. März dieses Jahres hat das Europaparlament eine Vorlage beschlossen, mit der die entsprechende Gesetzgebung auf eine neue Grundlage gestellt werden soll.
Der Text enthält wichtige Neuerungen – so zum Beispiel die Einführung von EU-Registern der beneficial owners, also der tatsächlichen Endeigentümer von Unternehmen und Trusts. Die definitive Fassung soll noch im Sommer vom Ende Mai neu gewählten Parlament mit dem Ministerrat und der Europäischen Kommission ausgehandelt werden.
Heute kommt einem der Begriff Geldwäsche leicht über die Lippen. Und doch ist dessen juristische Definition gerade mal 25 Jahre alt. Der Wort selbst ist die Übersetzung von money laundering, das zum ersten Mal in den 1920er Jahren in den USA auftauchte. Die US-Polizei beschrieb damit die Methode der organisierten Kriminalität, Geld aus dem Alkoholschmuggel in die legale Wirtschaft einzuschleusen. Es war der berüchtigte Al Capone, der dabei tatsächlich auf Waschsalons setzte (launderettes), indem er weit höhere Einnahmen deklarierte, als die Wäschereien tatsächlich hergaben, um so das illegale Geld zu legalisieren.
28, lebt in Berlin. Sie ist Wissenschaftlerin und Aktivistin. In Mailand studierte sie Rechtssoziologie und promoviert derzeit an der Juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität zum Thema „The symbolic efficacy of law: a socio-legal analysis of the crime of money laundering in the German penal code“. Verena Zoppei ist Koautorin des Buches „Transnational Organized Crime“, transcript Verlag, 2013.
In einem juristischen Kontext taucht der Begriff dann erst 1982 auf, und zwar in einem US-Urteil im Zusammenhang mit den Erträgen kolumbianischer Drogenhändler. Dann dauerte es noch einmal bis zum Ende der 80er Jahre, bis das Vergehen Geldwäsche offiziell ins internationale Recht aufgenommen wurde – vor allem, um den Drogenhandel zu bekämpfen. Man war daraufgekommen, dass die Verfolgung der Dealer wie der Konsumenten nur zu unbefriedigenden Ergebnissen führte. In Ergänzung dieses war on drugs versuchte man, die ökonomische Macht der kriminellen Organisationen zu attackieren. Denn hier, beim Einschleusen der illegalen Gewinne in die Realwirtschaft, schien die Achillesferse der Kartelle zu liegen.
Vorsorge als beste Medizin
In Deutschland gibt es den Straftatbestand Geldwäsche erst seit 1992, seit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“. Dem Gesetzgeber ging es also zunächst vor allem darum, die organisierte Kriminalität zu treffen. Zudem kam man darauf, dass Vorsorge immer die beste Medizin ist. Warum soll man darauf warten, bis man Kriminelle tatsächlich der Geldwäsche überführen kann, wenn man es gar nicht so weit kommen zu lassen braucht, dass das schmutzige Geld in die legale Wirtschaft fließt? Man wollte also Finanztransaktionen überwachen und verdächtige Guthaben einfrieren.
Als der Völkermord in Ruanda begann, machte unsere Autorin, Tochter einer Tutsi, dort gerade Urlaub. Zwanzig Jahre später blickt sie zurück – und nach vorn. Wie Ruandas neue Generation versucht, ihr Land neu zu erfinden, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. April 2014. Außerdem: Warum Maos Notizen zum Partisanenkrieg beim Computerspielen helfen. Und: Der Lyriker Yahya Hassan war gerade volljährig, als sein Gedichtband ein Bestseller wurde, ein sonntaz-Gespräch über fehlende Vaterliebe und den Hass der Islamisten. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
1990 beschlossen die G7 und andere Industriestaaten die Gründung der Financial Action Task Force (FATF) unter der Führung der OECD, mit der Aufgabe, internationale Standards zu entwickeln, die das Einsickern von illegal erwirtschaftetem Kapital in die globale Wirtschaft verhindern sollten.
Die Schlüsselbegriffe sind dabei Prävention und Lokalisierung des Risikos, also die Analyse, in welchen Bereichen der Wirtschaft die größte Gefahr besteht, dass schmutziges Geld gewaschen wird – zum Beispiel im Goldhandel und bei Versicherungen, bei Banken und mithilfe von Anwälten und Steuerberatern. Sie haben die Verpflichtung, Informationen über ihre Kunden zu sammeln und den staatlichen Institutionen jede verdächtige Operation zu melden. Seit 1990 haben mehr als 95 Prozent aller Staaten diese Antigeldwäschestandards übernommen (aber nicht der Iran und Nordkorea). Dass sie zu einem entscheidenden Element in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen geworden sind, liegt allerdings vor allem an der Macht der FATF – demokratisch legitimiert ist sie nicht.
Seitdem ist der Kampf gegen den Drogenhandel in den Hintergrund gerückt. Auf der Agenda der FATF, der EU und der Nationalstaaten steht nun der Schutz des internationalen Finanzsystems. Ziel sei es, hat die EU-Kommission zuletzt definiert, „den Binnenmarkt durch Abbau grenzübergreifender Hindernisse zu stärken, die Interessen der Gesellschaft vor Kriminalität und terroristischen Handlungen zu schützen, den wirtschaftlichen Wohlstand der Europäischen Union durch Gewährleistung effizienter Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu erhalten und durch den Schutz der Solidität, der reibungslosen Funktionsweise und der Integrität des Finanzsystems zur Finanzstabilität beizutragen“.
Geldwäsche als Auslöser der Krise
Unter dem Druck der westlichen Staaten ist die Antigeldwäschegesetzgebung zum Paladin des globalen Finanzbusiness geworden. Sie soll nun Front machen gegen Risikofaktoren einer Destabilisierung der Weltwirtschaft wie die Finanzierung des Terrorismus, Korruption und Steuerparadiese. Um die immer härtere Gesetzgebung zu legitimieren, wurde die Geldwäsche zum Mitauslöser der europäischen Finanzkrise erklärt und zum Hindernis eines nachhaltigen Wachstums der Entwicklungsländer. Das war praktisch, konnte man die Öffentlichkeit so doch gut von den anderen Auslösern der Krise ablenken.
Und während die Regierungen sich immer neue Regelungen ausdenken, um mit den Methoden der Geldwäscher Schritt zu halten, sagen Kritiker, die existierenden Gesetze würden völlig ausreichen, wenn sie denn korrekt angewendet würden. Das bestätigt auch die OECD in ihrem letzten Bericht zum Thema: Die meisten Mitgliedsländer hätten die existierenden Normen noch nicht vollständig in ihre Gesetzgebung integriert.
Hinzu kommt: Geldwäsche ist ein globalisiertes Geschäft. Verschärft ein Land die Gesetzgebung, verlagert sich die kriminelle Aktivität eben dorthin, wo weniger überwacht wird, nicht zuletzt in den Cyberspace. Der riesige Apparat der Prävention muss ständig gepflegt und auf den neuesten Stand gebracht werden. Diese Kosten werden an den Bürger weitergereicht. Bevor man also immer neue Maßnahmen erdenkt, wäre eine echte Kosten-Nutzen-Rechnung angebracht.
Das beste Beispiel dafür, dass es Gesetze allein nicht richten, sondern dass die Krux in ihrer tatsächlichen Anwendung liegt, ist der Umgang mit den sogenannten PEPs (politisch exponierten Personen), die verstärkten Sorgfaltspflichten unterliegen, wenn mit ihnen Geschäftsbeziehungen eingegangen werden. Das Problem: Bevor diese Personen als PEPs definiert werden, haben sie schon längst ihre heimischen Staaten ausgeraubt und das Geld nach Westeuropa transferiert. So wurden die Konten von Janukowitsch in der Schweiz und in Österreich erst dann eingefroren, als die Ereignisse in der Ukraine seine Herrschaft schon delegitimiert hatten.
Hürden zur Beschlagnahmung sind zu hoch
Was die Beschlagnahmung von Guthaben angeht, hat der Bundestag am 21. Februar dieses Jahres mit dem Gesetz zur Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung ein ermutigendes Zeichen gesetzt. Denn damit hat sich Deutschland für eine Ratifizierung der UNO-Konvention gegen Korruption (UNCAC) geöffnet. Sollte Deutschland ihr beitreten, müsste das Land auch seine Gesetzgebung zur Vermögensabschöpfung einer Revision unterziehen. Und ein Blick nach Italien lehrt die Schlagkraft dieser Maßnahme gegen mafiöse Vereinigungen. Solange die Hürden zur Beschlagnahme so hoch sind wie bisher, bleibt das Instrument aber unter seinen Möglichkeiten.
Mit am meisten wird an der bisherigen Antigeldwäschegesetzgebung die Unfähigkeit – beziehungsweise der fehlende Wille – kritisiert, die wirklich großen Fische ins Netz zu kriegen. Noch immer sei es zu leicht, die wahre Identität bei Finanztransaktionen zu verschleiern. Sollte die EU hier eine neue Direktive so beschließen wie am 11. März vorformuliert, wäre das eine Wende: Die Verpflichtung, die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten hinter jeder juristischen Person zu benennen, sie öffentlich zu machen und damit den internationalen Abgleich dieser Daten zu ermöglichen, wäre ein echtes Zeichen des politischen Willens, die anonymen Zonen des großen Geldes auszuleuchten.
Die Verantwortung liegt bei den Wählern, bei den Abgeordneten und bei der Europäischen Kommission. Den Vorsitz hat dort zum Zeitpunkt der Entscheidung Italien. Die Hoffnung ist, dass das Land, in dem die Mafia ein nicht wegzudiskutierendes Problem darstellt, auch dafür sorgen wird, dass wirkliche Fortschritte erzielt werden – und zwar im ursprünglichen Sinn: Kampf gegen die Anhäufung illegaler Vermögen, unter Berücksichtigung der Privatsphäre Unbescholtener – und nicht die unkontrollierte Datenabschöpfung und die Kontrolle des krisenhaften globalen Finanzsystems.
Aus dem Italienischen von Ambros Waibel
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